Dr. Wolfgang Kürschner, Karl-Hermann Zoll
Rz. 50
Ein Dritter kann wegen der Schädigung seiner eigenen Person Ansprüche gegen den vertraglichen Schädiger haben, obwohl er an dem Vertrag nicht unmittelbar beteiligt ist. Nach der Regelung des § 328 BGB wird der Dritte beim echten Vertrag zugunsten Dritter nicht Vertragsbeteiligter, wohl aber erwirbt er einen Erfüllungsanspruch. Die Beziehungen, die dadurch zwischen dem Versprechenden und dem Dritten entstehen, haben keinen Vertragscharakter. Immerhin jedoch kommt ein vertragsähnliches Verhältnis zwischen den Beteiligten zustande mit beiderseitigen Sorgfaltspflichten. Nach § 328 Abs. 2 BGB ist in Ermangelung einer besonderen Bestimmung aus den Umständen des Falles, insbesondere aus dem Zweck des Vertrages, zu entnehmen, ob der Dritte das Recht auf Leistung erwerben sollte. Dabei liegt die Annahme, dass der Dritte einen selbstständigen Anspruch erwerben soll, insbesondere dann nahe, wenn der Versprechensempfänger die Leistung lediglich im Interesse des Dritten verabredet hat. Bei einem Vertrag zugunsten Dritter besteht kein eigenständiges vertragliches Rechtsverhältnis zwischen dem Versprechenden und dem Dritten. Vielmehr erwirbt der Dritte lediglich ein abgespaltenes Forderungsrecht. Der Dritte erwirbt ohne Durchgang durch das Vermögen des Versprechensempfängers seinen Leistungsanspruch. Bei Leistungsstörungen stehen ihm die Ansprüche aus § 280 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 286 BGB und § 311 Abs. 2 und Abs. 3 BGB zu. Bei Wegfall der Geschäftsgrundlage kann der Dritte Anpassung an die veränderten Verhältnisse verlangen. Dem Versprechenden können seinerseits Schadensersatzansprüche gegen den Dritten zustehen, denn aus der Berechtigung des Dritten ergeben sich für diesen die jeden Gläubiger treffenden Sorgfaltspflichten bei der Ausübung seiner Rechte. Insofern wird das Verhältnis zwischen dem Dritten und dem Versprechenden als vertragsähnlich angesehen.
Rz. 51
Beispiele für echte Verträge zugunsten Dritter mit den jeweiligen Sorgfalts- und Schadensersatzpflichten finden sich etwa im Frachtrecht: Der Frachtvertrag ist Vertrag zugunsten Dritter, da § 421 Abs. 1 S. 1 HGB dem Empfänger nach Ankunft des Frachtguts das Recht gewährt, gegen Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Frachtvertrag vom Frachtführer Ablieferung zu verlangen und § 421 Abs. 1 S. 2 HGB dem Empfänger einen eigenen Ersatzanspruch gegen den Frachtführer eröffnet, wenn das Gut beschädigt oder verspätet abgeliefert worden oder verloren gegangen ist; streitig ist, ob das auch für den Unterfrachtvertrag gilt.
Ein weiteres Beispiel findet sich im Krankenkassenrecht So stellt der von der Krankenkasse abgeschlossene Krankenhausvertrag einen Vertrag zugunsten des Patienten dar; Teilungsabkommen und Regressverzichtsabkommen zwischen Versicherern sind pacta de non petendo zugunsten der Versicherungsnehmer. Verträge zwischen Reiseveranstaltern und Leistungsträgern können als Verträge zugunsten der Reisenden qualifiziert werden.
Rz. 52
Bedeutsamer ist in dem hier interessierenden Zusammenhang der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte; sein Zweck ist die Besserstellung eines geschützten Personenkreises durch eine vertragliche Haftung. Hier reicht bereits das Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen. Grund für die Herausbildung des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter war die Unzulänglichkeit des Deliktsrechts, insbesondere die unzulängliche Regelung der Gehilfenhaftung im Deliktsrecht in § 831 BGB und das Fehlen eines umfassenden Vermögensschutzes. Durch die Einbeziehung in den Vertrag wird der Dritte was die Haftung für Hilfspersonen betrifft (§ 278 BGB anstelle von § 831 BGB) und was die Beweislast angeht (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB) besser gestellt; hinsichtlich § 254 BGB wirkt sich die Einbeziehung allerdings zum Nachteil des Dritten insoweit aus, als er sich gegenüber seinen deliktischen Ansprüchen das Mitverschulden seiner gesetzlichen Vertreter und Hilfspersonen anrechnen lassen muss. Das Mitverschulden des Gläubigers ist dem Dritten nach dem Rechtsgedanken der § 334 BGB und § 846 BGB anzurechnen. Die auf § 334 BGB beruhende Anrechnung beschränkt sich auf vertragliche Ersatzansprüche, gilt also nicht für Ansprüche aus Delikt.
Rz. 53
Für die Einbeziehung des Dritten müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein: Zu dem Dritten muss eine Leistungsnähe bestehen. Sie ist gegeben, wenn dieser bestimmungsgemäß den Gefahren der Schlechterfüllung in gleicher Weise ausgesetzt ist wie der Vertragspartner. Das reicht jedoch noch nicht: Ein gelegentlicher Besucher des Mieters kann, wenn er im Treppenhaus ausrutscht, wegen des erlittenen Schadens sich nicht aufgrund des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte an den Vermieter halten. Das würde eine Ausuferung bedeuten. Zusätzlich muss daher ein Einbeziehungsinteresse gegeben sein. Nach der älteren Rechtsprechung wurde eine Schutzwirkung nur bejaht, wenn eine Obhuts- und Fürsorgepflicht bestand, der Vertragspartner musste für das Wo...