Dr. Wolfgang Kürschner, Karl-Hermann Zoll
1. Schmerzensgeld
Rz. 46
§ 253 Abs. 2 BGB in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.7.2002 hat mit Wirkung zum 1.8.2002 die Vorschrift des § 847 BGB ersetzt. Die Neuregelung fasst den Anwendungsbereich der Ersatzpflicht für immaterielle Schäden erheblich weiter. Sie sieht sowohl bei der Vertragshaftung als auch bei der Gefährdungshaftung den Ersatz immaterieller Schäden vor, während diese Bereiche früher nicht mitumfasst waren. Deshalb schließt beispielsweise nunmehr auch die vertragliche Haftung des rechtlichen Beraters aus § 675 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld) mit ein. Die Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages, der nicht den Schutz der Rechtsgüter des § 253 Abs. 2 BGB zum Gegenstand hat, begründet jedoch in der Regel keinen Schmerzensgeldanspruch. Soweit der Schutzzweck der Vertragspflicht dies gebietet, umfasst die Ersatzpflicht auch den Ersatz immateriellen Schadens, gleichgültig, ob es sich um die Verletzung einer Hauptpflicht oder einer Nebenpflicht (z.B. Schutzpflicht, Aufklärungspflicht) handelt. Auch die Haftung aus § 618 BGB und aus § 651f Abs. 1 BGB sowie die Haftung für Sach- und Werkmängel erstreckt sich auf immaterielle Schäden; ebenso die Haftung des Vermieters für anfängliche Mängel (§ 536a Abs. 1 BGB), der Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo (c.i.c.), aus Auftrag (siehe dazu oben Rdn 30 ff.), aus GoA (siehe dazu oben Rdn 37 ff.) sowie beispielsweise aus öffentlich-rechtlichen Sonderverbindungen. Die für vertragliche Schadensersatzansprüche geltenden gesetzlichen Vorteile wie die Zurechnung von Gehilfenverschulden (§ 278 BGB) und die Umkehr der Beweislast (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB) gelten auch für den Schmerzensgeldanspruch.
2. Die Ansprüche dritter Personen
Rz. 47
Wurde ein Vertragspartner durch das Verhalten des anderen getötet, so stellt sich die Frage nach den Rechten Dritter (z.B. Ersatz von Beerdigungskosten, Unterhaltsansprüche, Anspruch desjenigen, der das Recht auf Dienstleistung gegenüber dem Getöteten hatte). Derartige Ansprüche können allenfalls in analoger Anwendung von § 844 BGB, § 845 BGB gegeben sein. Expressis verbis ist das lediglich in § 618 Abs. 1 BGB und § 62 Abs. 2 HGB geregelt. Im Übrigen schweigt das Gesetz. Doch geht es nicht an, hieraus nun den Schluss zu ziehen, dass eine entsprechende Anwendung der vorerwähnten Bestimmungen im Falle der vertraglichen Haftung im Übrigen ausscheidet. Vielmehr erscheint in ähnlich gelagerten Fällen, wie sie § 618 Abs. 3 BGB im Auge hat, eine analoge Anwendung gerechtfertigt, wie beispielsweise beim Werkvertrag. Entsprechendes gilt auch für die Erfüllung eines Auftrages. Die vorstehend zitierten Entscheidungen beziehen sich auf Werkverträge, bei denen der Unternehmer in Räumlichkeiten des Bestellers tätig werden musste. Die gleichen Grundsätze finden beim Kaufvertrag Anwendung, wenn der Käufer in Geschäftsräumen des Verkäufers seine Bestellung aufgibt, ebenso beim Gastwirtsvertrag, wenn der Gast sich in dem Lokal seines Vertragspartners aufhält. Immer hängt es davon ab, inwieweit man dem einen Vertragspartner hinsichtlich der zur Verfügung gestellten Räume oder Gerätschaften eine Fürsorgepflicht im Sinne einer Nebenpflicht aus dem Vertrag gegenüber dem anderen Teil zumuten muss. Der hier vertretenen Auffassung kann nicht entgegenstehen, dass der Gesetzgeber offenbar ganz bewusst diese Angleichung des Vertragsrechts an die Bestimmungen über unerlaubte Handlungen auf den Dienstvertrag begrenzt hat; denn es lässt sich nicht bestreiten, dass die zum Teil fließenden Grenzen unter den Vertragstypen des BGB keine hinreichende Begründung dafür erkennen lassen, weshalb die Haftung für eine Tätigkeit des Verletzten bei einem Werkvertrag anders als beim Dienstvertrag geregelt werden sollte. Der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Dienstverpflichteten, den der Gesetzgeber des BGB vielleicht im Auge hatte, ist kaum durchgreifend. Sobald der eine Vertragsteil in den Räumen oder den Fahrzeugen des anderen Teils arbeiten muss, hat er den gleichen Anspruch auf gute Beschaffenheit der Räume oder Fahrzeuge wie der Dienstverpflichtete.
Rz. 48
Grundsätzlich trifft die Fürsorgepflicht lediglich den Vertragspartner. Für das Verhalten von Erfüllungsgehilfen kann er insoweit nur dann in Anspruch genommen werden, wenn es sich hierbei um Erfüllungsgehilfen gerade hinsichtlich der sich aus dem Vertrag ergebenden Fürsorgepflicht, das heißt nicht nur hinsichtlich der Erfüllung der Hauptverpflichtung aus dem Vertrag, handelt.
Rz. 49
Soweit die Benutzung der Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften des anderen Vertragspartners zur Erbringung der Vertragsleistung nicht erforderlich ist, dennoch aber der Unfall du...