Stephan Kohlhaas, Phillip Hartmann
Rz. 123
Gegenstand des Versicherungsschutzes ist die berufliche Tätigkeit als Anwalt (§ 1 AVB).
Gemäß § 1 I. AVB gewährt der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, dass er wegen eines bei der Ausübung beruflicher Tätigkeit begangenen Verstoßes für einen Vermögensschaden haftpflichtig gemacht wird. Präzisiert wird dies durch Risikobeschreibung der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten. Hiernach ist Gegenstand des Versicherungsschutzes die gegenüber dem Auftraggeber freiberuflich ausgeübte Tätigkeit als Rechtsanwalt sowie weitere Nebentätigkeiten.
Das Berufsbild des Rechtsanwalts wird durch die berufsrechtlichen Vorschriften näher definiert. Nach § 3 Abs. 1 BRAO ist er der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten.
Nach § 1 Abs. 3 BORA hat er Mandanten vor Rechtsverlusten zu schützen, rechtsgestaltend, konfliktvermeidend und streitschlichtend zu begleiten, vor Fehlentscheidungen durch Gerichte und Behörden zu bewahren und gegen verfassungswidrige Beeinträchtigung und staatliche Machtüberschreitung zu sichern.
Durch diese Definitionen wird der Kernbereich anwaltlicher Tätigkeit abgebildet. Dem Grundgedanken nach ist auch der Versicherungsschutz auf diesen Kernbereich beschränkt. Erfahrungsgemäß übernimmt ein Anwalt aber auch Aufgaben, die außerhalb seiner eigentlichen Tätigkeit liegen, für die er aber nach seiner Vorbildung und Erfahrung auch geeignet ist. Diese Tätigkeiten sind traditionsgemäß sehr eng mit dem Anwaltsberuf verbunden. Sie gewinnen zudem mehr und mehr an Bedeutung, müssen aber nicht in allen Fällen auch versichert sein.
Rz. 124
Die heute marktüblichen Bedingungen der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung der Rechtsanwälte tragen dem Rechnung. Sie enthalten in der Regel eine abschließende Aufzählung der mitversicherten Tätigkeiten, wiederum ggf. mit beachtenswerten Einschränkungen. Der Katalog der jeweils mitversicherten Tätigkeiten kann bei den einzelnen Versicherern differieren. Die Tatsache, dass die Bedingungen eine abschließende Aufzählung vorsehen, schließt nicht aus, weitere Tätigkeiten im Rahmen einer besonderen Vereinbarung im beiderseitigen Einvernehmen in den Deckungsumfang einzubeziehen. Nimmt die Nebentätigkeit einen größeren Umfang ein, ist es empfehlenswert, diese im Rahmen einer eigenständigen Deckung zu versichern. So kann der Deckungsumfang individuell auf die jeweilige Situation abgestimmt werden.
Rz. 125
Allgemein gilt, dass sich der Versicherungsschutz für die mitversicherten Nebentätigkeiten regelmäßig nicht auf Verstöße des Versicherungsnehmers oder mitversicherter Personen bezieht, die dem Bereich eines unternehmerischen Risikos zuzuordnen sind.
Rz. 126
Grundsätzlich erfolgt im definierten Rahmen eine Mitversicherung des betreffenden Nebenrisikos, aber nicht in vollem, ggf. benötigtem Umfang.
Zahlreiche Bedingungswerke sehen vor, dass sich ergänzend zu den Ausschlusstatbeständen in § 4 AVB der Versicherungsschutz nicht bezieht auf Haftpflichtansprüche wegen Schäden aus einer "kaufmännischen Kalkulations-, Spekulations- oder Organisationstätigkeit". Andere Bedingungswerke sehen den ausdrücklichen Einschluss derartiger Risiken mit sehr detaillierter Regelung und einem sog. Sublimit vor.
Unabhängig davon bieten die Versicherer dem Anwalt alternativ eine individuelle Deckung – projekt-/verfahrensbezogen – als (vorläufiger) Insolvenzverwalter, Gläubigerausschussmitglied, Sachwalter, gerichtlich bestellter Liquidator, Zwangsverwalter oder Treuhänder gemäß InsO oder für Haftpflichtansprüche wegen Schäden aus einer kaufmännischen Kalkulations- oder Organisationstätigkeit an, und zwar mit einer dem Risiko des Verfahrens angemessenen Deckungssumme – auch im mehrstelligen Millionenbereich.
Rz. 127
Jeder kaufmännisch geprägten Betätigung sollte zunächst mit kritischer Distanz begegnet werden. Berufsangehörige, die sich auf ein "neues" Nebengebiet mit unternehmerischem Charakter begeben, sollten unbedingt zuvor ihren Versicherer oder Makler kontaktieren und verbindlich klären lassen, ob diese Nebentätigkeit unter ihrem Versicherungsvertrag versichert ist.
Rz. 128
Da die Vielzahl der aufgeführten Nebentätigkeiten im Übrigen treuhänderischer Natur – überwiegend sogar auf Basis konkreter gesetzlicher Bestimmungen (Insolvenzverwalter …) – ist, bietet die Versicherungswirtschaft Einschlussmöglichkeiten auch der unternehmerischen Risiken im Rahmen von laufenden Versicherungen wie auch über sog. Objekt- oder Mandatsdeckungen, insbesondere für die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter oder als Mitglied eines Gläubigerausschusses, etc.
Im Zusammenhang mit Treuhandtätigkeiten stellt sich bei Rechtsanwälten die Frage, ob es sich überhaupt um eine berufliche Tätigkeit handelt; denn nur diese ist versichert.
Beispiel
Ein Rechtsanwalt war mit der Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages beauftragt.
Nach erfolgter Kündigung übernahm der Rechtsanwalt treuhändig die Auszahlung...