Stephan Kohlhaas, Phillip Hartmann
Rz. 16
Bestimmend für den Inhalt und den Umfang der Pflichten des Anwaltes ist grundsätzlich das zwischen den Parteien des Anwaltsvertrages Vereinbarte. Eine differenzierte Prüfung, ob ein uneingeschränktes oder eingeschränktes Mandat vorliegt, ist in jedem Einzelfall angezeigt. Letzteres verpflichtet den Anwalt, sich der ihm übertragenen Rechtssache nur in einem konkret umrissenen, engen Rahmen anzunehmen. Dies kann sich beziehen auf einen Teilbereich des Streitgegenstandes, auf die Reichweite oder die Richtung der anwaltlichen Tätigkeit.
Beispiel
Der Anwalt wird von seinem Mandanten beauftragt, seine Interessen in einem Finanzgerichtsrechtsstreit zu vertreten. Das Mandat ist auf den Gegenstand – Verfahren vor dem FG – beschränkt. Die Pflichten des Anwalts sind in diesem Fall beschränkt auf die Wahrnehmung der steuerrechtlichen Interessen des Mandanten. Eine Beratung des Mandanten dahingehend, dass dessen Steuerberater in dieser streitgegenständlichen Angelegenheit wegen einer evtl. vorhergehenden Falschberatung regresspflichtig sein könnte, ist nicht Gegenstand dieses so beschriebenen eingeschränkten Anwaltsvertrages. Gleichwohl muss der Anwalt – wenn er dies erkennen kann – den Mandanten auf die möglicherweise in Betracht kommende Haftung und die evtl. drohende Verjährung des Haftpflichtanspruchs hinweisen (nicht beraten).
Wird ein Rechtsanwalt "wegen Verkehrsunfall" mandatiert und ihm vom Mandanten zusätzlich ein Schreiben von dessen Unfallversicherung vorgelegt, so kann der Rechtsanwalt nicht nur verpflichtet sein, gegen den gegnerischen Haftpflichtversicherer vorzugehen, sondern auch einen Hinweis in Bezug auf die Inanspruchnahme der eigenen Unfallversicherung zu geben. Eine entsprechende Beratungspflicht besteht aber dann nicht, wenn der Unfallversicherer selbst den Versicherungsnehmer bereits zweimal schriftlich über eine Ausschlussfrist belehrt hatte.
Hervorzuheben ist, dass das eingeschränkte Mandat den Ausnahmefall darstellt. Besteht also zwischen Anwalt und Mandant Streit über den Umfang des betreffenden Mandats, ist grundsätzlich von einem umfassenden Auftrag auszugehen, es sei denn, der Anwalt legt die Vereinbarung des eingeschränkten Umfangs dar und kann diese beweisen.
Hinweis
Die schriftliche Fixierung des Mandatsumfangs schafft Klarheit, Transparenz und Sicherheit bezüglich der beiderseits bestehenden Rechte und Pflichten. Ob die zu erbringende anwaltliche Dienstleistung – idealtypisch – förmlich in einem schriftlichen Vertrag niedergelegt wird, oder über die schriftliche Bestätigung als Schreiben an den Mandanten, ist grundsätzlich irrelevant.
Verantwortlichkeit und Pflichtenkreise: die am häufigsten herangezogene Anspruchsgrundlage für die Haftung des Rechtsanwalts gegenüber seinen Mandanten/Auftraggebern ist § 280 BGB, der an die Stelle der von der Rechtsprechung entwickelten sog. positiven Vertragsverletzung getreten ist. Grundvoraussetzung für die Haftung aus § 280 BGB ist ein (Anwalts-)Vertrag, der wiederum den Inhalt sowie Umfang der beiderseitigen Rechte und Pflichten im Mandat definiert.
Für den Anwalt ergeben sich danach die von der Rechtsprechung entwickelten vier sog. Kernpflichten:
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Aufklärung des Sachverhalts, |
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Rechtsprüfung, |
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Rechtsberatung, |
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Schadensverhütung/Vorschlag des sichersten und gefahrlosesten Weges zur Zielerreichung. |
Dabei handelt es sich um die selbstverständlichen, zentralen Mindestanforderungen an eine qualifizierte anwaltliche Tätigkeit.
Rz. 17
Grundsätzlich ist es – aus den o.g. Kernpflichten abgeleitet – zentrale Pflicht des Anwalts, den Mandanten unter Berücksichtigung aller Chancen und Risiken des ins Auge gefassten Vorgehens allgemein, umfassend und möglichst erschöpfend zu beraten und zu belehren.
Der Anwalt muss seinen Mandanten persönlich beraten; er darf diese Aufgabe an einen Anwaltskollegen delegieren, jedoch nicht an seinen Bürovorsteher oder einen Rechtsreferendar. Zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Mandatspflichten kann der Rechtsanwalt auch gehalten sein, einen auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisierten externen Kollegen einzuschalten, wenn er eine schwierige Rechtsfrage nicht selbst zu lösen vermag. Unter Haftungsgesichtspunkten und mit Blick auf die Verschwiegenheitsverpflichtung sollte der Mandant stets über die Einschaltung des Spezialisten informiert werden, oder – besser noch – ein eigenständiges Mandatsverhältnis zu diesem begründen. Erfährt der Mandant nichts von der Auftragsvergabe an den "Subunternehmer" und wird hinsichtlich der Haftung für dessen Rechtsrat keine besondere Vereinbarung getroffen, haftet im Außenverhältnis allein der ursprünglich mandatierte Anwalt.
Rz. 18
Die Beratung muss auf alle Gesichtspunkte und Umstände eingehen, die für die Entscheidung des Mandanten in der konkreten Angelegenheit wesentliche Bedeutung haben könnten. Sie muss einen Hinweis auf konkrete wirtschaftliche Gefahren und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen einschließen. Der Anwalt ist allerdings nicht ...