Stephan Kohlhaas, Phillip Hartmann
I. Vorbemerkung
Rz. 114
Zu beachten ist:
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Die am Markt zur Verfügung gestellten Bedingungswerke sind nicht zwingend einheitlich. Sie gehen zum Teil über den gesetzlichen Mindestdeckungsumfang hinaus, werden aber auch – selbstverständlich nur außerhalb der gesetzlichen Mindestdeckungssumme – eingeschränkt. |
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Im Zuge der am 1.8.2022 in Kraft getretenen BRAO–Reform haben die Versicherer die Berufshaftpflichtversicherungen sowohl der Einzelanwälte als auch der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften den neuen berufsrechtlichen Vorgaben folgend aktualisiert und entsprechende Bedingungswerke im Markt ausgerollt. Der weitaus größte Teil der in Deutschland tätigen Rechtsanwälte und Berufsausübungsgesellschaften hat daher einen aktuellen Bedingungsstand in der Berufshaftpflichtversicherung vereinbart. |
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Die heute marktüblichen Bedingungswerke stellen – von jeweils individuellen Besonderheiten des betreffenden Anbieters abgesehen – die Basis der folgenden Ausführungen dar. Zu beachten bleibt, dass nicht alle am Markt vorzufindenden Abweichungen hiervon nachfolgend behandelt werden. |
Rz. 115
Angesichts der bereits geschilderten äußerst strengen Maßstäbe, die die Rechtsprechung hinsichtlich anwaltlicher Pflichten und anwaltlicher Sorgfalt anlegt, liegt es auf der Hand, dass aus fehlerhafter Berufsausübung existenzielle Vermögensrisiken resultieren können. Ihre Absicherung durch die anwaltliche Berufshaftpflichtversicherung sollte daher ungeachtet des gesetzlichen Zwangs zu deren Abschluss und Aufrechterhaltung während der Berufstätigkeit ein zentrales und kontinuierlich zu behandelndes Thema in jeder Kanzlei sein. In Bezug auf den Pflichtdeckungsumfang hat der Anwalt keine Wahl, da dieser gesetzlich – als Mindestdeckung – vorgeschrieben ist. Geht sein materieller Deckungsbedarf über das gesetzliche Mindestmaß hinaus, ist es ihm unbenommen, dieses Mehr an Deckung "einzukaufen".
Da auch Anwälte fehlbar sind – so belegen es jedenfalls langjährig gesammelte Daten der Versicherer – sollte jedem Anwalt die wirtschaftliche Bedeutung einer Berufshaftpflichtversicherung bewusst sein; denn seine persönliche Haftung ist im Zweifel nicht limitiert und damit existenziell. Daher kann die seit dem 9.9.1994 geltende Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung nur als "Denkanstoß" gesehen werden, sich angemessen zu versichern und nicht nur die gesetzliche Pflicht zu erfüllen.
Rz. 116
Die Versicherungspflicht trifft ausnahmslos jeden Rechtsanwalt, und zwar unabhängig davon, ob er in dieser Eigenschaft auch tätig ist oder nicht, und welche Umsätze er mit dieser Tätigkeit erzielt. Dies ergibt sich aus § 51 BRAO ("Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung […] aufrechtzuerhalten."). Für anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften ergibt sich die Versicherungspflicht aus § 59 Abs. 1 BRAO. Gemäß § 59n Abs. 2 BRAO gelten die Vorgaben des § 51 BRAO für anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften weitgehend entsprechend.
Auch der Titular- oder der Syndikusanwalt, für dessen Tätigkeit letztlich weitgehend sein Prinzipal aufkommt (sofern sie nämlich im Rahmen des Arbeitsvertrages und auf dessen Veranlassung hin geschieht), braucht deshalb eine Berufshaftpflichtversicherung. Nicht versichert sind dabei allerdings die denkbaren Ansprüche des Prinzipals gegen den Syndikusanwalt aus seiner Syndikus-Tätigkeit.
Eine Zulassung als Anwalt kann ohne Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung gemäß § 51 BRAO ebenso wenig erfolgen (§ 12 Abs. 2 BRAO) wie eine Fortführung der Tätigkeit ohne entsprechenden Versicherungsschutz (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO).
Die jeweilige Anwaltskammer ist sogenannte zuständige Stelle i.S.d. § 117 Abs. 2 VVG für entsprechende Mitteilungen durch den Versicherer (§ 51 Abs. 6 S. 1 BRAO), zugleich aber auch Auskunft erteilende Stelle betreffend die Berufshaftpflichtversicherung des Anwalts. § 51 Abs. 6 S. 2 BRAO sieht seinem Wortlaut nach eine Auskunftspflicht zum Zwecke der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vor, sofern der Anwalt kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an einer Nichterteilung der Auskunft hat. Eine Beschränkung auf Fälle, in denen ein Direktanspruch gemäß § 115 VVG wegen Insolvenz oder mangelnder Auffindbarkeit des Anwalts besteht, ist insoweit nicht vorgesehen. Dies wurde in der Vergangenheit allerdings immer wieder bestritten.
Aufgrund der Entscheidung des Anwaltssenats des Bundesgerichtshofs vom 22.10.2012 ist nun klargestellt, dass die Auskunft auch erteilt werden darf, wenn es sich nicht um die Verfolgung eines Direktanspruchs handelt. Denn die Klage eines Rechtsanwalts gegen die Weitergabe seiner Versicherungsdaten an einen Mandanten blieb im Verfahren vor dem BGH erfolglos.
Rz. 117
Die Versicherung ist Voraussetzung für die Zulassung zur Anwaltschaft (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 BRAO). Ohne Versicherungsschutz erfolgt keine Zulassung. Fällt der Versicherungsschutz weg, dann hat dies den Widerruf der Zulassung zur Folge (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO); denn ohne eine entsprechende Versich...