Stephan Kohlhaas, Phillip Hartmann
Rz. 14
Der Anwaltsvertrag kommt zustande, wenn Anwalt und Mandant sich darüber einig sind, dass eine anwaltstypische Dienstleistung in Form des rechtlichen Beistands entsprechend § 3 Abs. 3 BRAO erbracht werden soll. Sofern es sich bei dem übernommenen Mandat um eine überwiegend nicht anwaltstypische Tätigkeit, oder eine solche Tätigkeit handelt, bei der die Rechtsberatung deutlich in den Hintergrund tritt, kann nicht von einem Anwaltsvertrag ausgegangen werden. Gesetzlich definiert ist die anwaltliche Tätigkeit nicht. Entscheidend ist stets, ob der Anwalt im konkreten Fall noch in irgendeiner Weise Rechtsrat schuldet, mag dieser Teil seiner Aufgabe auch in den Hintergrund treten. Sobald es aber primär auf andere Fachkenntnisse ankommt und diese statt der Beherrschung des Rechts den Grund für den Auftrag darstellen, dürfte es sich um eine berufsfremde Tätigkeit handeln.
Eine klare Grenzziehung ist ob dieser "weichen" Kriterien gelegentlich schwierig. Im Wege der Auslegung ist zu ermitteln, worauf die Parteien bei der Beauftragung Wert gelegt haben; nicht zu vernachlässigen ist dabei die Frage, warum der Mandant überhaupt einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner – in der Gesamtschau ggf. auch weniger bedeutsamen, rechtlichen Interessen – beauftragt hat. Denn im Zweifel ist anzunehmen, dass derjenige, der die Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch nimmt, ihn auch in dieser Eigenschaft beauftragen will.
Beispiel
Wird einem Fachanwalt für Versicherungsrecht der Auftrag erteilt, seinem Mandanten bei der Beschaffung risikogerechten Versicherungsschutzes behilflich zu sein, kann es sich sowohl um ein "Maklermandat", aber auch um ein anwaltliches Mandat handeln. Für die letztgenannte Einordnung spricht, dass bei einem derartigen Auftrag der rechtlichen Beurteilung der Versicherungsbedingungen und der hierüber mit dem Versicherer evtl. zu führenden Verhandlungen erhebliches Gewicht beigemessen wird.
Unbestritten anwaltstypische Tätigkeit und damit auch Anwaltsmandat ist die Tätigkeit des Anwalts als Mediator, Vermittler oder Schlichter, was sich bereits aus § 18 BORA ergibt.
Die Abgrenzung ist von Bedeutung für die Abrechnung auf Basis der gesetzlichen Gebühren, für
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die Haftung des beauftragten Anwalts, sowohl im Bereich
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der Haftungsgrundlagen und -maßstäbe, |
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der Haftungsbegrenzung (§ 52 BRAO), |
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der evtl. gesamtschuldnerischen Mithaftung von Sozien/Scheinsozien (die für entsprechende nicht anwaltstypische Tätigkeiten nicht mithaften müssen (s. unten Rdn 78 f.), |
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der Verjährung von Haftpflichtansprüchen (soweit diese wegen der zwischenzeitlich in der Regel überholten "Übergangsfrist" noch dem aufgehobenen § 51b BRAO unterliegen). |
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wie auch für den zur Verfügung stehenden Deckungsschutz aus der anwaltlichen Berufshaftpflichtversicherung. |
Rz. 15
Die Tendenz der Rechtsprechung, einen Sachverhalt als anwaltliche Tätigkeit zu subsumieren, um den Geschädigten in den Genuss der Pflichtversicherung des Anwalts zu bringen, ließ sich in der Vergangenheit nicht immer übersehen, ist aber jüngst vom IV. Zivilsenat des BGH relativiert worden. Der BGH hat in zwei Entscheidungen darauf abgestellt, dass nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen die versicherte freiberufliche "Tätigkeit als Rechtsanwalt" allein die von unabhängiger Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten geprägte "klassische" Tätigkeit des Rechtsanwalts meint, wie sie auch in § 3 BRAO beschrieben ist.