Stephan Kohlhaas, Phillip Hartmann
Rz. 1
Die Feststellung, dass Rechtsanwälte aufgrund der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit ein hohes Haftungsrisiko tragen, ist mittlerweile zur Binsenweisheit geworden. Obwohl die in der Regel einschlägige Haftungsnorm des § 280 BGB Verschulden voraussetzt, wird bisweilen davon gesprochen, dass sich die anwaltliche Haftung zu einer "Gefährdungshaftung" entwickelt hat. Andererseits ist zu konstatieren, dass die äußerst strenge Rechtsprechung der Obergerichte und des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Anwaltshaftung weitgehend auf hohem Niveau zu stagnieren scheint. Neuartige haftungsverschärfende Rechtsprechungstendenzen sind in letzter Zeit nicht zu verzeichnen.
Dem gegenüber steht eine Mindestversicherungssumme in der Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte, die auch nach Inkrafttreten der BRAO-Reform am 1.7.2022 jedenfalls für Einzelanwälte bei 250.000,00 EUR verblieben ist. Dieser Wert wird dem theoretischen Haftungsrisiko auch einer Einzelkanzlei bei weitem nicht mehr gerecht. Ob die für kleine haftungsbeschränkte, anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften mit bis zu zehn Berufsträgern in § 59n Abs. 2 BRAO geregelte Mindestversicherungssumme von 1 Mio. EUR sachgerecht ist, dürfte gleichfalls diskutabel sein.
Zu einer spürbaren Verminderung des persönlichen Haftungsrisikos der anwaltlichen Berufsträger hat die im Jahr 2013 eingeführte Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung geführt. Seitdem haben viele vormals als Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder Partnerschaftsgesellschaft tätige Rechtsanwaltskanzleien in eine PartGmbB umfirmiert. Dadurch wurde jedenfalls hinsichtlich anwaltlicher Berufsversehen das Haftungsrisiko von den Berufsträgern persönlich auf das Gesellschaftsvermögen der PartGmbB beziehungsweise auf die von der Gesellschaft zwingend abzuschließende Berufshaftpflichtversicherung verlagert.
Mit der BRAO-Reform hat der Gesetzgeber im Jahr 2022 nun auch die GmbH & Co. KG als geeignete Rechtsform für anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften geöffnet, wodurch erstmalig eine Personengesellschaft des deutschen Rechts mit vollständiger Haftungsabschirmung für Rechtsanwälte zur Verfügung steht. Die ersten Neugründungen von anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG beziehungsweise entsprechende Umfirmierungen bestehender Kanzleien sind bereits zu verzeichnen. Inwieweit sich diese Rechtsform in der Breite durchsetzt, wird sich aber erst noch in den kommenden Jahren zu erweisen haben.