Stephan Kohlhaas, Phillip Hartmann
Rz. 3
Der Anwalt haftet nicht nur seinen Mandanten als Vertragspartnern, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch Dritten, die nicht seine Vertragspartner sind (siehe unten Rdn 5). Die Haftung des Rechtsanwalts kann im Wesentlichen auf die folgenden Bestimmungen bzw. Rechtsinstitute gestützt werden, die auf gesetzlichen, vertraglichen oder quasivertraglichen Schuldverhältnissen oder auf vorvertraglichen Vertrauenstatbeständen (culpa in contrahendo) beruhen.
Die häufigsten Anspruchsgrundlagen im Rahmen der Anwaltshaftung sind – nach nationalem Haftungsrecht – zusammengefasst:
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§ 280 BGB – Haftung wegen Pflichtverletzung; |
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§§ 823 Abs. 2, 831 BGB; |
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§ 311 Abs. 3 BGB – Haftung gegenüber Dritten, die nicht unmittelbar Vertragspartner sind; |
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§ 311 Abs. 2 BGB – culpa in contrahendo (c.i.c.); |
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§ 44 BRAO – Schadensersatz mangels unverzüglicher Ablehnung eines Mandats; |
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§§ 60, 61 InsO – Haftung des Insolvenzverwalters; |
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§§ 69, 34 AO – Steuerhaftung des gesetzlichen Vertreters. |
Ungeachtet dessen ist insbesondere bei Kanzleien mit internationaler Ausrichtung bzw. Aufstellung eine persönliche Haftung des Anwalts/der Anwälte bzw. der Kanzlei nach anderen internationalen Haftungsregimen nicht ausgeschlossen. Inwiefern diese Haftung vom Versicherungsschutz umfasst ist, ist bis dato weder Gegenstand der Rechtsprechung noch der Literatur. Die Bezugnahmen in §§ 51 Abs. 1 S. 2, 59n Abs. 2 S. 2 BRAO auf §§ 278 und 831 BGB und damit auf das deutsche Haftpflichtrecht und die auf dieser Grundlage bei der BAFin eingereichten Allgemeinen Versicherungsbedingungen sprechen trotz der weiten Formulierung "gesetzliche Haftpflichtansprüche" in § 51 Abs. 2 S. 1 BRAO dafür, dass die Haftung des Anwalts auf Grundlage ausländischen Rechts nicht von der Pflichtversicherung erfasst ist.
Der Versicherungsschutz aus der Berufshaftpflichtversicherung hat sich gem. §§ 51 Abs. 2 S. 1, 59n Abs. 2 S. 2 BRAO jedenfalls auf gegen den Rechtsanwalt gerichtete gesetzliche Haftungsansprüche privatrechtlichen Inhalts zu beziehen. Haftpflichtansprüche öffentlich-rechtlicher Natur unterliegen grundsätzlich nicht dem Deckungsschutz, es sei denn, sie sind ausdrücklich mitversichert, wie dies in zahlreichen Bedingungswerken für die o.g. Haftung gem. §§ 60, 61 InsO oder §§ 69, 34 AO vorgesehen ist. Mittlerweile haben einige Versicherer Bedingungswerke entwickelt, die generell im Hinblick auf Haftpflichtansprüche auf öffentlich-rechtlicher Grundlage Versicherungsschutz bieten. Grundsätzlich nicht versichert ist die Haftung für Gerichtskosten – § 49 GKG –, sofern der Anwalt nicht bevollmächtigt war. Im Falle der Konkurrenz von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Ansprüchen ist grundsätzlich von Deckung auszugehen. Wegen der näheren Einordnung von Haftpflichtbestimmungen als öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich vgl. Rdn 135 ff.
Jegliche Haftungstatbestände, die als Verschuldensmaßstab Vorsatz voraussetzen, sind nicht versichert (z.B. Ansprüche aus § 826 BGB). Ausnahme hiervon kann sein die sog. wissentliche Pflichtverletzung eines Mitarbeiters der Kanzlei (Näheres hierzu unter "wissentlicher Pflichtverletzung", Rdn 139 f.) oder seit 19.7.2013 für Partnerschaftsgesellschaften mit beschränkter Berufshaftung und Rechtsanwalts-Gesellschaften mit beschränkter Haftung (zur PartGmbB siehe Rdn 89 ff.). Die Notwendigkeit der Mitversicherung wissentlicher Pflichtverletzungen im Pflichtversicherungsbereich wurde mit Inkrafttreten der BRAO-Reform am 1.8.2022 auf sämtliche haftungsbeschränkten Berufsausübungsgesellschaften ausgeweitet, vgl. § 59n Abs. 2 S. 2 BRAO, der für haftungsbeschränkte Berufsausübungsgesellschaften nicht auf § 51 Abs. 3 Nr. 1 BRAO verweist (Umkehrschluss aus § 59n Abs. 2 S. 3 BRAO).
Rz. 4
Bei Pflichtverletzungen aus anwaltlichen Mandaten ist die in der Regel heranzuziehende Haftungsnorm § 280 BGB. Abweichend von dem Grundsatz, dass dem Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast bezüglich sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen – Auftrag, Pflichtverletzung, Verschulden, Kausalität und Schaden – obliegt (zur Darlegungs- und Beweislast siehe auch Rdn 65), bürdet § 280 Abs. 1 S. 2 BGB dem Anwalt die Beweislast für ein von ihm behauptetes, mangelndes Verschulden auf. In der Praxis ist die Beweislastumkehr freilich wenig relevant, da das Verschulden des Anwalts in der Regel durch die Bejahung einer Pflichtverletzung impliziert wird. § 280 BGB kommt zur Anwendung bei allen vom Anwalt übernommenen Mandaten, sei es die Wahrnehmung von rechtlichen Interessen als Prozessvertreter oder als außergerichtlicher rechtlicher Berater, mit Ausnahme z.B. solcher Angelegenheiten, bei denen die Haftung aufgrund einer Stellung als Amtsträger auf einer spezialgesetzlichen Regelung beruht.
Relativ selten ist der Fall, dass die Rechtsprechung zur Begründung einer Haftung aus beruflicher Tätigkeit des Anwalts auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. der Verletzung eines Schutzgesetzes zurückgreifen muss.
Rz. 5
Der Anwalt haftet unter bestimmten Voraussetzungen...