Stephan Kohlhaas, Phillip Hartmann
1. Versicherungssumme und Serienschaden
Rz. 165
Eines der wesentlichen Elemente des Versicherungsvertrages ist die Versicherungssumme.
Die Versicherungssumme stellt den Höchstbetrag der Leistungen dar, die der Versicherer im jeweiligen Schadenfall zu erbringen hat (§ 3 III. Ziff. 2 AVB); nur Kosten und evtl. Prozesszinsen werden vom Versicherer über die Versicherungssumme hinaus ggf. noch ersetzt. Die Versicherungssumme steht Rechtsanwälten in Einzelkanzlei im Bereich der Mindest-Pflichtversicherung von 250.000 EUR viermal im Versicherungsjahr zur Verfügung (§ 51 Abs. 4 BRAO).
Die Vereinbarung einer vierfachen Jahreshöchstleistung bedeutet aber keine Verdopplung der Versicherungssumme für den einzelnen Schadenfall, sondern besagt, dass diese Summe für vier Schadenfälle (mit jeweils bis maximal 250.000 EUR) pro Jahr zur Verfügung steht.
Die Jahreshöchstleistung der Versicherungssumme einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft bemisst sich nach der Zahl der anwaltlichen Gesellschafter, die in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen oder niedergelassen sind, und der anwaltlichen Geschäftsführer, die nicht Gesellschafter sind. Ist eine Berufsausübungsgesellschaft Gesellschafter, so ist bei der Berechnung der Jahreshöchstleistung nicht die beteiligte Berufsausübungsgesellschaft, sondern die Zahl ihrer anwaltlichen Gesellschafter, die in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen oder niedergelassen sind, und der anwaltlichen Geschäftsführer, die nicht Gesellschafter sind, maßgeblich. Die Jahreshöchstleistung muss sich jedoch in jedem Fall mindestens auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme belaufen, § 59o Abs. 4 BRAO.
Rz. 166
Über die gesetzliche Vorgabe gem. § 51 Abs. 2 BRAO hinaus beinhalten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen drei verschiedene Klauseln für den sog. Serienschaden. Diese stellen klar, dass es sich bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen nicht um mehrere Versicherungsfälle handelt, sondern lediglich ein Versicherungsfall vorliegt, für den auch nur einmal die vereinbarte Deckungssumme (pro Versicherungsfall) zur Verfügung steht.
Die Serienschadenklauseln der anwaltlichen Berufshaftpflichtversicherung bzw. derjenigen der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind bis dato sehr selten Gegenstand von Publikationen oder gerichtlicher Verfahren gewesen. Allerdings hat der BGH die Wirksamkeit der entsprechenden Serienschadenklauseln für die Haftpflichtversicherung von Finanzdienstleistern unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten zumindest dem Grunde nach bestätigt.
Ein Serienschaden liegt i.S.d. § 51 BRAO vor, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt (Anwaltssozietät), d.h. der Anspruch des Mandanten/Geschädigten gegen alle Sozien (Gesamtschuld) ist lediglich ein Versicherungsfall, und nicht etwa – bei z.B. vier gesamtschuldnerisch haftenden Anwaltssozien – vier Versicherungsfälle.
Ein Serienschaden liegt auch vor bezüglich eines aus mehreren Verstößen stammenden einheitlichen Schadens (Fristversäumnis und mangelnder Wiedereinsetzungsantrag, bei gleichzeitigen, fehlerhaften Parallelursachen im Rahmen der rechtlichen Beratungstätigkeit, die sich in einem Gesamtschaden vereinigen).
Es handelt sich um die Fiktion eines einzigen Versicherungsfalls, den man zunächst – wegen der klaren Trennung der Mandate – für den Fall ausschließen kann, dass mehrere Mandanten betroffen sind. Es mag besondere Fallkonstellationen geben, in denen diese Klausel durchgreift, z.B. in Fällen, in denen die Anspruchsteller den Anwalt aufgrund mehrerer Fehler im Rahmen eines Prüfungs- oder Gutachtenauftrags wegen der bei ihnen jeweils eingetretenen Schäden in Regress nehmen (§ 311 Abs. 3 S. 1 BGB, Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter oder aus § 826 BGB oder evtl. Prospekthaftung).
Im Rahmen der erforderlichen Auslegung dieser Klausel sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:
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ein Auftrag, im Zweifel auch ein Dauermandat, |
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Schaden über mehrere Jahre verteilt, |
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(bei Steuerschäden) verschiedene Steuerarten. |
Rz. 167
Die dritte Serienschadenvariante, wonach mehrere Pflichtverletzungen bei Erledigung eines einheitlichen Auftrags begangen werden, mögen diese auf dem Verhalten des Rechtsanwalts oder einer von ihm herangezogenen Hilfsperson beruhen, verursacht in der Praxis die meisten Schwierigkeiten. Der Begriff des einheitlichen Auftrags ist nicht näher definiert. Er ist auslegungsbedürftig und dem Inhalt des Mandats anhand der tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhänge zu entnehmen. Ergeben sich immer noch Abgrenzungsschwierigkeiten, kann der für die Honorarberechnung maßgebende Auftragsgegenstand maßgeblich sein. Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Serienschadenproblematik existiert nur in geringem Umfang.
Unter Verbraucherschutzgesichtspunkten ist in der Rechtsprechung eine Tendenz zur Annahme von Einzelschäden zu erkennen, um möglichst viele Anspruchssteller in den Genuss der Versicherungsleistung kommen zu lassen oder dem einzelnen Anspruchsteller eine möglichst weit rei...