Stephan Kohlhaas, Phillip Hartmann
1. Gesellschaftsbezogener Versicherungsschutz
Rz. 175
Vor Inkrafttreten der BRAO-Reform am 1.8.2022 bestand ausschließlich eine persönliche Versicherungspflicht jedes einzelnen Rechtsanwalts gemäß § 51 BRAO. Die weit verbreitete Zusammenarbeit der Berufsträger in Gesellschaften bürgerlichen Rechts, Partnerschafts- sowie Kapitalgesellschaften wurde durch die persönliche Versicherungspflicht nur unvollständig abgebildet.
Wurden Rechtsanwälte zum Beispiel im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts tätig, so bestand Versicherungsschutz für diese Tätigkeit entweder über die separat abgeschlossenen persönlichen Versicherungen der Anwälte oder über eine Sozialitätspolice mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Versicherungsnehmer, in der die Einzelversicherungen der Rechtsanwälte gebündelt wurden. In beiden Konstellationen hatten die Rechtsanwälte auf einen möglichst homogen Versicherungsschutz und insbesondere jeweils gleich hohe Versicherungssummen zu achten. Denn die seinerzeit in den Versicherungsbedingungen enthaltene Sozienklausel (meist in § 12 AVB geregelt) sah für den Fall der Vereinbarung unterschiedlich hoher Versicherungssummen vor, dass bei einem Schaden, der betragsmäßig auch nur eine der vereinbarten Versicherungssummen überstieg, eine Durchschnittssummenbildung unter Einbeziehung sämtlicher Versicherungssummen durchgeführt wurde. Dies führte zur Kürzung der Versicherungssummen, die den zu regulierenden Schadenbetrag überstiegen.
Gesellschaftsbezogene Berufshaftpflichtversicherungen waren ausschließlich für die PartGmbB gemäß § 51a BRAO a.F. und für die Rechtsanwalts – GmbH gemäß § 59j BRAO a.F. abzuschließen.
Mit der Einführung der Versicherungspflicht für sämtliche Berufsausübungsgesellschaften durch die BRAO-Reform (§ 59n BRAO) hat nun jede Berufsausübungsgesellschaft als solche eine den gesetzlichen Pflichtversicherungsbestimmungen entsprechende Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Die Versicherer vereinbaren ausschließlich einheitliche Versicherungssummen bezüglich der anwaltlichen Berufsausübung. Die Sozienklausel ist damit obsolet und von den Versicherern aus den aktuellen Bedingungswerken herausgenommen worden.
Nach Auffassung der Bundesrechtsanwaltskammer gilt die Versicherungspflicht auch für sogenannte Scheinsozietäten, bei denen nach den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht ledig der Rechtsschein einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach außen gesetzt wird. Ferner geht die Bundesrechtsanwaltskammer davon aus, dass Scheinsozien für die Bemessung der Jahreshöchstleistung gem. § 59o Abs. 4 BRAO maßgeblich sind.
Zu betonen ist, dass Rechtsanwälte, die im Rahmen einer Berufsausübungsgesellschaft tätig werden, nach wie vor gemäß § 51 BRAO verpflichtet sind, für sich selbst eine persönliche Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Die gesellschaftsbezogene Berufshaftpflichtversicherung der Berufsausübungsgesellschaft reicht nicht aus, um die persönliche Versicherungspflicht jedes einzelnen Berufsträgers zu erfüllen.
Die Berufshaftpflichtversicherung der Berufsausübungsgesellschaft erfasst sämtliche berufliche Tätigkeiten, die namens oder auf Rechnung der Gesellschaft ausgeübt werden.
Daher ist in den aktuellen Versicherungsbedingungen geregelt, dass sich der Versicherungsschutz für eine Berufsausübungsgesellschaft auf die den Organen, Geschäftsführern, Gesellschaftern von Personengesellschaften, Partnern und Angestellten oder sonstigen Personen, deren sie sich zur Erfüllung ihrer Berufstätigkeit bedient, zur Last fallenden Verstöße bezieht.
Des Weiteren werden durch § 1 III. 2. der Versicherungsbedingungen in der Person eines Verstoßenden gegebene Umstände, die den Versicherungsschutz beeinflussen, der Berufsausübungsgesellschaft zugerechnet; das gilt nur dann nicht, wenn Angestellte (nicht Organe, Geschäftsführer, Gesellschafter von Personengesellschaften, Partner) der Berufsausübungsgesellschaft oder sonstige Personen, deren die Gesellschaft sich zur Erfüllung ihrer Berufstätigkeit bedient, anlässlich dieser Tätigkeit von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers wissentlich abweichen oder sonst ihre Pflichten wissentlich verletzen.
Da sich Rechtsanwälte gemäß § 59c Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BRAO mit Personen verbinden dürfen, die in der Berufsausübungsgemeinschaft einen freien Beruf nach § 1 Abs. 2 PartGG ausüben, enthalten die Versicherungsbedingungen in § 1 III. 3. nun auch die Mitversicherung dieser zusätzlichen Berufe. Danach besteht Versicherungsschutz für die Berufsausübung, die nicht Unternehmensgegenstand der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft ist, soweit diese Berufe als versichertes Risiko im Versicherungsschein benannt sind.
Korrespondierend dazu ist in die bisher schon in den Versicherungsbedingungen enthaltene Mitversicherung akzessorischer Haftpflichtansprüche (§ 1 III. 5. AVB) aus interprofessioneller Tätigkeit nun die Klarstellung aufgenommen worden, dass dieser Versicherungsschutz auch für die gesetzliche Haftpflicht eines berufsfremden Gesellschafters besteht, sow...