Rz. 180

Den örtlichen Geltungsbereich des Versicherungsschutzes im Sinne des Mindeststandards hat der Gesetzgeber in § 51 BRAO festgelegt.

Danach (§ 51 Abs. 3 Nr. 2–4 BRAO) kann von der Versicherung die Haftung ausgeschlossen werden für Ersatzansprüche

aus Tätigkeiten über in anderen Staaten eingerichtete oder unterhaltene Kanzleien oder Büros,
aus Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Beratung und Beschäftigung mit außereuropäischem Recht,
aus Tätigkeiten des Rechtsanwalts vor außereuropäischen Gerichten.

Sie sind nicht einschränkbar, soweit es die Pflichtversicherung betrifft. Eine Einschränkung wird aber gelegentlich für den Teil der Deckung vorgenommen, der die Pflichtversicherungssumme von 250.000 EUR oder 2,5 Mio. EUR (RA-GmbH) übersteigt.[463] Dieses Vorgehen ist rechtlich zumindest zweifelhaft; denn § 113 Abs. 3 VVG ("Die Vorschriften dieses Abschnittes sind auch insoweit anzuwenden, als der Versicherungsvertrag eine über die vorgeschriebenen Mindestanforderungen hinausgehende Deckung gewährt.") bestimmt die Kongruenz zwischen Pflichtdeckung und freiwilligem Versicherungsschutz, obschon dort "der Versicherungsvertrag" behandelt wird. Es besteht grundsätzlich europaweite Deckung. Dies bedeutet, Rechtsanwälte können aus versicherungsrechtlicher Sicht im Recht eines jeden europäischen Landes beraten, vor europäischen Gerichten auftreten und vor europäischen Gerichten in Anspruch genommen werden. § 51 Abs. 3 BRAO sieht Einschränkungsmöglichkeiten vor, von denen, soweit ersichtlich, alle Versicherer in ihren Standardbedingungen Gebrauch gemacht haben. Es handelt sich hierbei um Tätigkeiten über in andern Staaten (auch europäischen) eingerichtete oder unterhaltene Kanzleien oder Büros, um die Beratung und Beschäftigung mit außereuropäischem Recht sowie um Tätigkeiten vor außereuropäischen Gerichten (Teil 2 A. Ziff. 3.1 AVB). Sofern der Rechtsanwalt wegen eines gegen ihn gerichteten Haftpflichtanspruchs vor einem außereuropäischen Gericht in Anspruch genommen wird, besteht Versicherungsschutz unabhängig von der grundsätzlich vereinbarten Deckungssumme nur in Höhe der Mindestversicherungssumme (Teil 2 A. Ziff. 5.1 AVB). Obwohl kein Versicherungsschutz für Tätigkeiten über ausländische Niederlassungen besteht, kann es zu einer Inanspruchnahme vor außereuropäischen Gerichten etwa dann kommen, wenn der Rechtsanwalt zu einem ausländischen Mandanten reist, und die ­Beratung vor Ort, z.B. in den USA, vornimmt.

Um das kaum kalkulierbare Kostenrisiko von Prozessen vor außereuropäischen Gerichten beherrschbar zu machen, sehen die Versicherungsbedingungen vor, dass Kosten nicht nach der ausländischen Rechtsordnung, sondern nur nach Maßgabe des RVG ersetzt werden (§ 3 III Ziff. 5.5 AVB). Die das Ausland betreffenden Regelungen der Versicherungsbedingungen sind aber nicht unabdingbar.

Die Versicherer sind in der Regel bereit, den Versicherungsschutz entsprechend den tatsächlichen Erfordernissen der Kanzlei zu gestalten (ggf. mit bestimmten Einschränkungen und Sublimitierungen der Deckungssumme).[464]

Zu beachten gilt es für den Anwalt als Mehrfachbänder, dass er in seiner Eigenschaft als Steuerberater keinen Deckungsschutz beanspruchen kann, wenn er die Anwendbarkeit außereuropäischen Recht nicht beachtet, d.h. wenn er nicht erkennt, dass außereuropäisches recht im konkreten Mandat anzuwenden ist.

 

Beachte

Der Anwalt sollte konsequent dem Prinzip des maximal notwendigen Versicherungsschutzes folgen – in Bezug auf die Deckungssummen und den Bedingungsumfang – und dabei auch immer die Wirksamkeit seiner Haftungsvereinbarungen gem. § 51 Abs. 1 Nr. 2 BRAO im Blick zu behalten, denn jede Beschränkung des Versicherungsschutzes kann zur Unwirksamkeit der mit dem Mandanten vereinbarten Haftungsbegrenzung (AGB oder Individualvereinbarung) führen.

Die Auslandsdeckung der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ist partiell weitergehend bzw. auch eingeschränkt, weshalb in interprofessionellen Kooperationen/Sozietäten/Partnerschaften eine "Harmonisierung" des entsprechenden Deckungsumfangs erforderlich ist.

[463] Siehe "Sublimite" unter Rdn 154, 165: die Deckungssumme des Vertrages sieht z.B. 1 Mio. EUR vor, der Versicherungsschutz für das "Auslandsrisiko" wird aber auf den Betrag der Mindestdeckungssumme gem. § 51 BRAO von 250.000 EUR begrenzt (sublimitiert).
[464] Eine übersichtliche Darstellung des Auslandsversicherungsschutzes für WP, StB und RA findet sich bei Heimann, PHi 2005, S. 78 (zu beachten bleibt auch dort die geltende Fassung, die keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt); siehe auch Borgmann, SpV 2005, 31.

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