Rz. 225
Zitat
ZPO §§ 286, 373, 416; StVO § 9 Abs. 3
a) |
Die Schilderung, die ein Zeuge über den Hergang eines Verkehrsunfalls gegenüber dem Haftpflichtversicherer eines der Unfallbeteiligten abgegeben hat, kann im Haftpflichtprozess nicht im Wege des Zeugenbeweises, wohl aber im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden. |
b) |
Beim Zusammenstoß zwischen einem nach links abbiegenden und einem in Gegenrichtung geradeaus fahrenden Kraftfahrzeug kann für das Verschulden des Abbiegenden der Anscheinsbeweis sprechen. |
a) Der Fall
Rz. 226
Der Kläger machte gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend. Der Pkw des Klägers, der im Bereich einer ampelgeregelten Kreuzung nach links in eine Seitenstraße abbiegen wollte, stieß dabei mit dem in der Gegenrichtung geradeaus fahrenden Pkw des Beklagten zu 1 zusammen. Zwischen den Parteien war streitig, ob der Beklagte zu 1 auf den verkehrsbedingt im Kreuzungsbereich haltenden Pkw des Klägers aufgefahren oder ob der Kläger unter Missachtung des Rotlichts in den Kreuzungsbereich und die Fahrspur des Beklagten zu 1 eingefahren war.
Rz. 227
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, der Kläger habe den Unfall verschuldet, weil er das Vorfahrtsrecht des Beklagten zu 1 verletzt habe. Die Richtigkeit seiner Unfallschilderung habe er wegen fehlender Beweismittel nicht nachweisen können. Darüber hinaus werde die Unfallschilderung der Beklagten durch den Zeugen V. bestätigt, der gegenüber der Beklagten zu 2 angegeben habe, der Kläger sei auf der inneren Linksabbiegespur in die Kreuzung eingefahren, obwohl die für diese Fahrtrichtung geltenden Ampeln auf Rot gestanden hätten, während lediglich die für den Geradeausverkehr geltenden Ampeln auf Grünlicht geschaltet gewesen seien, wodurch sich der Kläger offensichtlich habe irritieren lassen. Der Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1 trete hinter dem schuldhaften Fahrfehler des Klägers zurück.
Rz. 228
Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger seinen Klageantrag weiter.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 229
Das angefochtene Urteil hielt den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
Da das Fahrzeug des Klägers bei dem Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1 durch dieses beschädigt wurde, kam allerdings grundsätzlich ein Anspruch des Klägers aus § 7 Abs. 1 StVG und, soweit ein Verschulden des Beklagten zu 1 vorgelegen haben sollte, aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht. Dass der Unfall durch höhere Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) verursacht worden sei, wurde von keiner Partei geltend gemacht. Ein Anspruch des Klägers war deshalb nur ausgeschlossen, wenn der Unfallschaden von ihm durch ein für den Beklagten zu 1 unabwendbares Ereignis (§ 17 Abs. 3 S. 1 StVG) oder jedenfalls ganz überwiegend verursacht bzw. verschuldet worden war, sodass der Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1 vernachlässigt werden konnte (§ 17 Abs. 1 StVG, § 254 Abs. 1 BGB). Dafür, dass die Betriebsgefahr des Pkw des Klägers durch dessen – gegebenenfalls. schuldhafte – Fahrweise gegenüber der des Pkw des Beklagten wesentlich erhöht war und dass den Kläger an dem Unfall ein Verschulden traf, waren grundsätzlich die Beklagten darlegungs- und beweispflichtig.
Rz. 230
Das Amtsgericht und das Berufungsgericht gingen ersichtlich davon aus, dass die Beklagten diesen Beweis geführt hatten, weil gegen den Kläger, der als Abbiegender mit einem Fahrzeug des Gegenverkehrs zusammengestoßen war, der Anscheinsbeweis sprach und der Kläger diesen aus Mangel an Beweismitteln nicht entkräften konnte. Dies ließ keinen Rechtsfehler erkennen.
Rz. 231
Nach § 9 Abs. 3 S. 3 StVO muss, wer links abbiegen will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass der Linksabbieger, wenn er seiner hiernach bestehenden Wartepflicht nicht genügt und es deshalb zu einem Unfall kommt, in der Regel, wenn keine Besonderheiten vorliegen, in vollem Umfang oder doch zumindest zum größten Teil für die Unfallfolgen zu haften hat, weil an eine Verletzung des Vorfahrtrechts des geradeaus Fahrenden durch den Linksabbieger ein schwerer Schuldvorwurf anknüpft, wobei für das Verschulden des Abbiegenden der Anscheinsbeweis spricht (Senatsurt. v. 11.1.2005 – VI ZR 352/03, VersR 2005, 702 f. m.w.N.).
Rz. 232
Ein Sachverhalt, bei dem der Anscheinsbeweis nicht in Betracht kommt, lag hier nicht vor. Zwar war der Kreuzungsbereich mit Ampeln sowohl für den geradeaus fahrenden als auch für den abbiegenden Verkehr versehen. Bei solchen Fallgestaltungen kann ein Anscheinsbeweis ausscheiden, wenn die Unfallgegner darüber streiten, wer von ihnen bei grün in die Kreuzung eingefahren ist und wer das für ihn geltende Rotlicht missachtet hat (Senatsurt. v. 3.12.1991 – VI ZR 98/91, VersR 1992, 203 und v. 13.2.1996 – VI ZR 126/95, VersR 1996, 513). Darum ging es hier jedoch nicht. Der Kläge...