Rz. 286
Der Testamentsvollstrecker hat bei der Auseinandersetzung des Nachlasses die Anordnungen des Erblassers über die Auseinandersetzung des Nachlasses (vgl. § 2048 BGB) einzuhalten (vgl. §§ 2203, 2216 Abs. 2 S. 1 BGB). Das Gebot des Aufschubs der Auseinandersetzung (§ 2044 BGB) muss er beachten, denn § 2204 Abs. 1 BGB verweist auf §§ 2042 bis 2056 BGB.
Nicht selten entsprechen solche Anordnungen nicht den Wünschen der Erben; häufiger noch widersprechen sie, z.B. wegen des Alters des Testaments (das Testament wurde lange vor dem Erbfall verfasst), den Interessen der Erben oder den zeitlichen Gegebenheiten. Deshalb kann sich der Testamentsvollstrecker mit Zustimmung aller Miterben über solche Anordnungen hinwegsetzen.
Beispiel
Der Testamentsvollstrecker weist im Teilungsplan nach Abstimmung mit den Erben dem Miterben, der nach Abfassung des Testaments Kaufmann geworden ist, das Geschäftsgebäude zu, dem minderjährigen Miterben weist er Aktien und das Privathaus zu. Der Erblasser hatte das Gegenteil bestimmt.
Rz. 287
Es taucht die Frage auf, ob das Abweichen von Teilungsanordnungen des Erblassers durch den Testamentsvollstrecker dann der Genehmigung des Familiengerichts bedarf, wenn Ergänzungspfleger für minderjährige Erben dem Vorgehen zustimmen wollen. In Betracht kommen die Vorschriften §§ 1915, 1812, 1821, 1822 BGB. Wie ist die Rechtslage, wenn Eltern die minderjährigen Miterben dabei vertreten (§§ 1643, 1821, 1822 BGB)?
Rz. 288
Nach hiesiger Ansicht wirken Anordnungen des Erblassers, z.B. Teilungsanordnungen – ebenso wie die gesetzlichen Auseinandersetzungsregeln (siehe Rdn 280) – nicht nur für den Fall, dass Miterben den Nachlass auseinandersetzen, sondern auch für den Fall, dass dies nach § 2204 BGB dem Testamentsvollstrecker obliegt, nur obligatorisch, sie schränken dessen Verfügungsmacht (§ 2205 BGB) nicht ein. Der Gesetzgeber hat, wie die Protokolle zum Erbrecht zeigen, bewusst dem Testamentsvollstrecker eine umfassende Verfügungsmacht gegeben und diese nur hinsichtlich unentgeltlicher Verfügungen begrenzt. Anordnungen des Erblassers, wie Teilungsanordnungen, wurden von der älteren Rechtsprechung dahin ausgelegt, dass es sich um schuldrechtliche Bindungen des Testamentsvollstreckers handelt, nicht um Verfügungsbeschränkungen im Sinne des § 2208 BGB.
Wenn sich solche Anordnungen an die Miterben richten, so sieht man sie als schuldrechtliche Bindungen an. Man stelle sich vor, die Testamentsvollstreckung entfiele während der Nachlassauseinandersetzung: Soll dann eine Verfügungsbeschränkung in eine obligatorische Bindung übergehen?
Rz. 289
Ist im Nachlass z.B. ein Grundstück vorhanden, so bedürfen nach hiesiger Ansicht weder die Eltern noch ein Pfleger für ihre Zustimmung zum Teilungsplan des Testamentsvollstreckers der familiengerichtlichen Genehmigung. Denn es geht nicht um familienrechtliche Beschränkungen des gesetzlichen Vertreters, sondern um erbrechtlich-obligatorische. Insbesondere § 1821 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 BGB greifen auch deshalb nicht ein, wenn der Teilungsplan des Testamentsvollstreckers von Anordnungen des Erblassers abweicht, weil die minderjährigen Miterben weder eine Verpflichtung eingehen, ein Grundstück zu übertragen, noch durch ihre Zustimmung zum Plan als Ganzem eine Zustimmung zur Verfügung über ein Grundstück ist. Beides tut nur der Testamentsvollstrecker. Die Zustimmung der Miterben ist keine dingliche, weil davon die Verfügungsmacht des Testamentsvollstreckers in keiner Weise abhängt. Sie bedeutet nur, dass die Abweichung von der Teilungsanordnung keine Schadensersatzansprüche auslöst (siehe Rdn 281). Die Zustimmung der Erben zum Vorgehen des Testamentsvollstreckers bewirkt nur, dass sie dessen Teilungsplan billigen. § 1822 Nr. 2 BGB (Erbteilungsvertrag) liegt nicht vor, weil die Erben – jeder für sich – eine Erklärung gegenüber dem Testamentsvollstrecker abgeben, aber keinen Vertrag untereinander abschließen (siehe Rdn 292).
Rz. 290
Für die Praxis dürfte sich empfehlen, vorsorglich eine familiengerichtliche Genehmigung einzuholen. Der BGH hat nämlich eine gerichtliche Genehmigung in einem Fall für erforderlich gehalten, in dem minderjährige Erben den Verfügungen des Testamentsvollstreckers zustimmten, die den Anordnungen des Erblassers widersprachen (siehe Rdn 283). Der BGH hat also die Verfügungsmacht des Testamentsvollstreckers nach§ 2205 BGB als begrenzt durch Teilungsanordnung des Erblassers angesehen, also § 2208 BGB angewandt, und deshalb in der Zustimmung der Erben zur Verfügung des Testamentsvollstreckers selbst eine Verfügung erblickt, so dass er z.B. § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB für anwendbar halten musste, als ein Grundstück von der Teilungsanordnung des Erblassers betroffen war.
Rz. 291
Die Zustimmung der Eltern oder des Pflegers als Vertreter des minderjährigen Erben zum Teilungsplan bedarf nicht der Form des § 311b Abs. 1 BGB, wenn sich im aufzuteilenden Nachlass ein Grundstück befindet, weil der Minderjährige – auch wenn er dem Plan des Testamentsvollst...