Dr. iur. Sebastian Berkefeld
Rz. 124
Das Gütergemeinschaftsmodell bezweckt die in Rdn 122 unter Nr. 2 dargestellte Wirkung.
Rz. 125
Nach Ansicht des BGH ist in der Vereinbarung der Gütergemeinschaft regelmäßig keine Schenkung zu erblicken, da insofern eine eigene, güterrechtliche "causa" vorliegen soll, die erst durch einen eigenständigen Schenkungsvertrag im Einzelfall verdrängt werden muss. Umstände, die zu einer ergänzungspflichtigen Schenkung führen können, nennt der BGH beispielhaft (aber wohl nicht erschöpfend): Dies sei der Fall, wenn der Geschäftswille der Ehegatten nicht auf die Verwirklichung der Ehe ("ehefremde Zwecke") und nicht auf eine Ordnung des beiderseitigen Vermögens gerichtet sei. Wegen der durch die Gütergemeinschaft erfolgenden gleich hohen Beteiligung beider Eheleute am ehelichen Gesamtgut führt bei bestehender Zugewinngemeinschaft (also Ehevertrag erst nach der Eheschließung) die Vereinbarung der Gütergemeinschaft zu einer Pflichtteilskürzung gegenüber den pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen, wenn das in die Gütergemeinschaft eingebrachte Vermögen des Ehegatten, hinsichtlich dessen Nachlass der Pflichtteil verkürzt werden soll, mehr als dreimal so viel wert ist wie das Vermögen des anderen Ehegatten.
Anders stellt sich dagegen die pflichtteilsreduzierende Wirkung gegenüber den pflichtteilsberechtigten Eltern des Erblassers dar: Deren Pflichtteilsquote vergrößert sich durch die Vereinbarung der Gütergemeinschaft von je 1/16 auf je ⅛. Damit durch diese Gestaltung daher eine Verringerung des Elternpflichtteils eintritt, müsste das Vermögen des Erblassers vor der Vereinbarung von Gütergemeinschaft mehr als doppelt so hoch sein wie danach. Dies kann schon rechnerisch nur dann der Fall sein, wenn das Vermögen des anderen Ehegatten einen negativen Wert aufweist. In allen anderen Fällen erhöht sich durch das Gütergemeinschaftsmodell der Pflichtteil der Eltern des Erblassers.
Rz. 126
Ungünstig ist jedoch, dass die Ehegattenerbquote bei der Gütergemeinschaft mit ¼ wesentlich niedriger (und damit der Pflichtteil der Abkömmlinge entsprechend höher) ist als bei der Zugewinngemeinschaft (siehe die Tabelle in § 3 Rdn 57). Fraglich ist auch, ob durch spätere erneute Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft dieses Problem gelöst werden kann (sog. Schaukelmodelle). Beruht diese Gestaltung auf einem einheitlichen Plan, so hat der BGH bereits deutlich zu erkennen gegeben, dass er eine solche Gestaltung nicht anerkennen wird.
Praxishinweis
Bei einer solchen "Paketlösung" ist also äußerste Vorsicht geboten. Es ist daher bei einer Aufhebung der Gütergemeinschaft auf eine sorgfältige Formulierung und Herausarbeitung eines besonderen Motivs für die Änderung des Güterstands zu achten, damit die ehebezogene Motivation derselben, die nicht in der Pflichtteilsreduzierung liegen darf, deutlich wird.
Rz. 127
Problematisch ist insofern auch, wenn zwar die Gütergemeinschaft durch Ehevertrag wiederaufgehoben wird, was zur Beendigung der weitreichenden, auf der Gütergemeinschaft beruhenden Haftung führt, aber
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die dingliche Vermögenszuordnung des beiderseitigen Vermögens im gemeinschaftlichen Gesamtgut aufrechterhalten bleibt. Hier sollte nicht an der falschen Stelle gespart werden, auch wenn durch die Gesamtgutauseinandersetzung höhere Kosten entstehen können; |
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einem Ehegatten im Rahmen der Gesamtgutauseinandersetzung mehr zugeteilt wird, als ihm nach den hierfür geltenden gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1476 ff. BGB zusteht. Denn darin kann eine ergänzungspflichtige Schenkung (§ 2325 BGB) gesehen werden. |
Rz. 128
Die Vereinbarung der fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 1483 BGB) führt demgegenüber dazu, dass die gemeinschaftlichen Abkömmlinge in einem u.U. sehr großen Umfang daran gehindert werden, beim Tod des ersten Elternteils einen Pflichtteil geltend zu machen. Hier wird mit dem Tod des erstversterbenden Ehegatten die Gütergemeinschaft zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinsamen Abkömmlingen fortgesetzt. Dabei gehört der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut nicht zu seinem Nachlass (§ 1483 Abs. 1 S. 3 BGB). Daher bezieht sich der Pflichtteil der gemeinschaftlichen Abkömmlinge nur auf das vom verstorbenen Ehegatten vererbte Sonder- und Vorbehaltsgut und nur derjenige von einseitigen Abkömmlingen des Erstverstorbenen auch auf dessen Gesamtgutanteil. Jedoch ist der Preis hoch, da die gemeinschaftlichen Abkömmlinge dadurch zwingend am Gesamtgut beteiligt werden und dem überlebenden Ehegatten keine Möglichkeit mehr zusteht, durch einseitige Erklärung oder Handlung diese hiervon auszuschließen. Auch ist aus anderen Gründen die fortgesetzte Gütergemeinschaft nicht mehr zu empfehlen.
Bewertung
Pflichtteilsrecht: Siehe die vorigen Ausführungen (Rdn 125 ff.).
Anderes: Zudem ist die gesetzliche Haftung bei der Gütergemeinschaft nicht befriedigend, insbesondere bei gesetzlichen Haftpflichtansprüchen oder wenn ein Erwerbsgeschäft mit Zustimmung des anderen Ehegatten betrieben wird (Haftung...