Dr. iur. Sebastian Berkefeld
a) Erb- oder Pflichtteilsverzicht?
Rz. 52
Der Nachteil des Erbverzichts ist, dass der Verzichtende bei der Feststellung des für die Berechnung des Pflichtteils anderer Pflichtteilsberechtigter maßgeblichen Erbteils nach § 2310 S. 2 BGB nicht mitgezählt wird (siehe Rdn 5 f.). Daher führt der Erbverzicht zu einer i.d.R. nicht gewollten Erhöhung des Pflichtteils anderer Pflichtteilsberechtigten. Bei einem auf das Pflichtteilsrecht beschränkten Verzicht ist dies demgegenüber anders: Die Vorschriften der §§ 2310 S. 2, 2316 Abs. 1 S. 2 BGB gelten hier nicht, so dass bei einem reinen Pflichtteilsverzicht der Verzichtende bei der Feststellung des für die Berechnung des Pflichtteils maßgeblichen Erbteils aller Pflichtteilsberechtigten genauso berücksichtigt wird wie diejenigen, die allein durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind oder die Erbschaft ausgeschlagen haben oder für erbunwürdig erklärt wurden. Daher kann der Erbverzicht mitunter geradezu kontraproduktiv wirken und ist i.d.R. kein geeignetes Mittel, um die Erbfolge zu gestalten. Daher wird in der Praxis regelmäßig die Empfehlung "auf den Erbverzicht verzichte" befolgt, weshalb der Pflichtteilsverzicht dort der Regelfall ist. Nur in besonderen Situationen, etwa wenn alle Pflichtteilsberechtigten einen Erbverzicht erklären, oder im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung, wenn es mit Eintritt der Scheidung oder durch die Vorwirkungen nach § 1933 BGB wenig später ohnehin durch das Ausscheiden des verzichtenden Ehegatten zu einer Erhöhung des Erb- und Pflichtteils der anderen Angehörigen kommen wird, kann der Erbverzicht angezeigt sein. Ansonsten wird regelmäßig dem Pflichtteilsverzicht der Vorzug gegeben, ja gerade bei größeren lebzeitigen Zuwendungen an einen Pflichtteilsberechtigten gilt: "Der Pflichtteilsverzicht ist Pflicht." Ein weiterer Vorteil des Pflichtteilsverzichts ist, dass dieser hinsichtlich seiner Rechtsfolgen sehr flexibel ausgestaltet und damit an die Besonderheiten des Einzelfalls angepasst werden kann (siehe Rdn 24). Kaum erörtert wird aber, ob nicht auch der Pflichtteilsverzicht unliebsame Nebenwirkungen haben kann.
b) Unliebsame Nebenwirkungen des Pflichtteilsverzichts – Einzelfälle
aa) Vergessene Enterbung des Verzichtenden
Rz. 53
Der Pflichtteilsverzicht lässt das gesetzliche Erbrecht des Verzichtenden unberührt. Daher ist der Verzichtende erst dann von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wenn der Erblasser entsprechend abweichend testiert oder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge sein übriges Vermögen überträgt. Die bei einem entgeltlichen Pflichtteilsverzicht gegen entsprechende Zuwendung an den Pflichtteilsberechtigten eintretende, i.d.R. nicht gewollte Doppelbegünstigung des Verzichtenden kann zwar relativ einfach dadurch beseitigt werden, dass der Erblasser eine entsprechende Verfügung von Todes wegen errichtet. Die Praxis zeigt allerdings leider immer wieder, dass eine entsprechende Gestaltung mitunter vergessen wird. Auch verstehen die Beteiligten den entsprechenden Hinweis, den der Notar oder Rechtsberater in diesem Zusammenhang immer geben sollte, mitunter dahingehend falsch, dass der Pflichtteilsverzicht nur empfohlen wird, weil es dem Rechtsberater darum gehe, wegen der zusätzlichen Verfügung von Todes wegen noch weitere Gebühren zu bekommen. Bei einem entgeltlichen Pflichtteilsverzicht kann einer sonst eintretenden Doppelbegünstigung des Verzichtenden auch durch eine Anrechnungsbestimmung (§ 2315 BGB) begegnet werden. Dagegen sollte eine Ausgleichungsanordnung nach § 2050 Abs. 3 BGB vermieden werden, weil diese wieder den Pflichtteil der anderen Abkömmlinge nach § 2316 BGB erhöht, und zwar wegen § 2316 Abs. 3 BGB i.d.R. irreparabel, wenn diese nicht auf die dadurch bedingte Erhöhung ihres Ausgleichspflichtteils in der Form eines beschränkten Pflichtteilsverzichts verzichten oder bei einzelnen von ihnen Gründe für eine Pflichtteilsentziehung vorliegen.
Praxishinweis
Bei der Beurkundung eines Pflichtteilsverzichts sollte immer ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass dieser das gesetzliche Erbrecht des Verzichtenden unberührt lässt.
bb) Vergessener Zugewinnausgleich bei der güterrechtlichen Lösung
Rz. 54
Leben Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so greift ein reiner Pflichtteilsverzicht des einen Ehepartners zu kurz, wenn dieser weder Erbe noch Vermächtnisnehmer wird. Denn dann steht ihm gem. § 1371 Abs. 2 BGB auch im Erbfall ein Ausgleichsanspruch nach den güterrechtlichen Grundsätzen der §§ 1373 bis 1383, 1390 BGB zu. Dies kann zu einer eno...