Dr. iur. Sebastian Berkefeld
Rz. 101
Die Berechnung des Ausgleichspflichtteils (§ 2316 BGB) basiert auf einer "hypothetischen Erbausgleichung", setzt also gerade nicht voraus, dass es tatsächlich zu einer Erbauseinandersetzung zwischen den Abkömmlingen kommt.
aa) Ausgleichungsfähigkeit
Rz. 102
Gegenstand der Ausgleichung können nur Zuwendungen des Erblassers unter Lebenden sein. Eine Zuwendung erfordert, dass ein Vermögensvorteil des Erblassers in das Vermögen eines Abkömmlings überführt wird. Dabei muss es sich nicht um eine Schenkung handeln, wie gerade das Beispiel der Ausstattung zeigt (§ 1624 BGB). Die Zuwendung muss unter Lebenden erfolgt sein. Bei Zuwendungen auf den Todesfall zieht dabei § 2301 BGB die Grenze.
Rz. 103
Ausgleichungsfähig sind grundsätzlich nur die von dem betreffenden Erblasser stammenden Zuwendungen. Eine Ausnahme macht die h.M. beim Berliner Testament (§ 2269 BGB) und lässt dort eine Ausweitung des Erblasserbegriffs bei Anwendung des § 2052 BGB zu: Bei der Ausgleichung im Schlusserbfall wären daher auch die vom Erstverstorbenen gemachten Zuwendungen zu berücksichtigen. Jedoch hat der BGH diese Frage bezüglich der Ausgleichungspflicht nach § 2316 BGB ausdrücklich offengelassen, bei der Anrechnung (§ 2315 BGB) aber verneint. Eine ausdrückliche Regelung ist daher auch hier dringend zu empfehlen.
bb) Ausgleichungsberechtigter und ausgleichungsverpflichteter Personenkreis
Rz. 104
Hierzu gehören nur die Abkömmlinge des Erblassers, und zwar auch nur hinsichtlich der Zuwendungen, die vom Erblasser an einen Abkömmling gemacht wurden. Anders als bei der Anrechnung (§ 2315 BGB) findet also eine Ausgleichung mit dem Ehegatten nicht statt; im Gegenteil, es wird sogar der ihm gebührende gesetzliche Erbteil vorneweg vor der Bildung des Ausgleichsnachlasses aus der Berechnung ausgeschieden (§ 2055 Abs. 1 S. 2 BGB). Fällt ein ausgleichungspflichtiger Abkömmling vor oder nach dem Erbfall weg, so ist an seiner Stelle der aufgrund des gesetzlichen Eintrittsrechts berufene Abkömmling zur Ausgleichung verpflichtet (§ 2051 BGB).
Rz. 105
Praxishinweis
Eine über die gesetzliche, nach §§ 2050 ff. BGB hinausgehende besondere rechtsgeschäftliche Ausgleichungsverpflichtung kann durch eine besondere vertragliche Vereinbarung, insbesondere auch durch einen Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB), zwischen den gesetzlichen Erben, und somit auch mit dem Ehegatten, geschaffen werden. Auch wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausgleichung nicht bestehen, können die Vertragsteile bei der Zuwendung eine entsprechende Ausgleichung ausdrücklich vereinbaren, wie überhaupt die Ausgleichungsvorschriften zumindest insoweit nicht zwingend sind, als sich dadurch nicht über § 2316 BGB Auswirkungen auf den Pflichtteil ergeben (§ 2316 Abs. 3 BGB).
cc) Anordnungsbedürftigkeit der Ausgleichung
Rz. 106
Das Gesetz vermutet bei gewissen Zuwendungen, dass diese automatisch ausgleichspflichtig sind ("geborene Ausgleichungspflicht"). Bei anderen Zuwendungen muss vor oder spätestens bei der Zuwendung die Ausgleichungspflichtigkeit angeordnet werden ("gekorene ausgleichungspflichtige Zuwendungen"). Im Einzelnen muss bei der Ausgleichung zwischen mehreren Arten von Zuwendung unterschieden werden:
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"geborene, ausgleichungspflichtige Zuwendung" (§ 2050 Abs. 1 und 2 BGB)
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die Ausstattung (§ 1624 BGB), und zwar auch dann, wenn es sich um Übermaßausstattungen handelt |
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Zuschüsse zu Einkünften, jedoch nur, soweit diese das den Vermögensverhältnissen des Erblassers entsprechende Maß übersteigen |
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Aufwendungen für die Vorbildung zu einem Beruf, jedoch auch hier wiederum nur hinsichtlich des Übermaßes |
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"gekorene, ausgleichungspflichtige Zuwendung" aufgrund Erblasseranordnung (§ 2050 Abs. 3 BGB). |
dd) Zeitpunkt und Form der Ausgleichungsbestimmung nach § 2050 Abs. 3 BGB
Rz. 107
Lebzeitige Zuwendungen, die nicht unter § 2050 Abs. 1 und 2 BGB fallen, sind demnach nur ausgleichungspflichtig, wenn dies vom Erblasser angeordnet wurde. Die Ausgleichungsanordnung muss dabei spätestens gleichzeitig mit der Zuwendung dem Empfänger so zur Kenntnis gebracht werden, dass er die Zuwendung wegen der Ausgleichungspflicht ablehnen oder ...