Dr. iur. Sebastian Berkefeld
aa) Vergessene Enterbung des Verzichtenden
Rz. 53
Der Pflichtteilsverzicht lässt das gesetzliche Erbrecht des Verzichtenden unberührt. Daher ist der Verzichtende erst dann von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wenn der Erblasser entsprechend abweichend testiert oder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge sein übriges Vermögen überträgt. Die bei einem entgeltlichen Pflichtteilsverzicht gegen entsprechende Zuwendung an den Pflichtteilsberechtigten eintretende, i.d.R. nicht gewollte Doppelbegünstigung des Verzichtenden kann zwar relativ einfach dadurch beseitigt werden, dass der Erblasser eine entsprechende Verfügung von Todes wegen errichtet. Die Praxis zeigt allerdings leider immer wieder, dass eine entsprechende Gestaltung mitunter vergessen wird. Auch verstehen die Beteiligten den entsprechenden Hinweis, den der Notar oder Rechtsberater in diesem Zusammenhang immer geben sollte, mitunter dahingehend falsch, dass der Pflichtteilsverzicht nur empfohlen wird, weil es dem Rechtsberater darum gehe, wegen der zusätzlichen Verfügung von Todes wegen noch weitere Gebühren zu bekommen. Bei einem entgeltlichen Pflichtteilsverzicht kann einer sonst eintretenden Doppelbegünstigung des Verzichtenden auch durch eine Anrechnungsbestimmung (§ 2315 BGB) begegnet werden. Dagegen sollte eine Ausgleichungsanordnung nach § 2050 Abs. 3 BGB vermieden werden, weil diese wieder den Pflichtteil der anderen Abkömmlinge nach § 2316 BGB erhöht, und zwar wegen § 2316 Abs. 3 BGB i.d.R. irreparabel, wenn diese nicht auf die dadurch bedingte Erhöhung ihres Ausgleichspflichtteils in der Form eines beschränkten Pflichtteilsverzichts verzichten oder bei einzelnen von ihnen Gründe für eine Pflichtteilsentziehung vorliegen.
Praxishinweis
Bei der Beurkundung eines Pflichtteilsverzichts sollte immer ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass dieser das gesetzliche Erbrecht des Verzichtenden unberührt lässt.
bb) Vergessener Zugewinnausgleich bei der güterrechtlichen Lösung
Rz. 54
Leben Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so greift ein reiner Pflichtteilsverzicht des einen Ehepartners zu kurz, wenn dieser weder Erbe noch Vermächtnisnehmer wird. Denn dann steht ihm gem. § 1371 Abs. 2 BGB auch im Erbfall ein Ausgleichsanspruch nach den güterrechtlichen Grundsätzen der §§ 1373 bis 1383, 1390 BGB zu. Dies kann zu einer enormen Belastung des Nachlasses führen. Nehmen wir das von den Steuerberatern immer wieder im Rahmen des § 5 ErbStG genannte Beispiel, dass während der Ehe der Erblasser einen Zugewinn von 1 Mio. EUR erzielte, der andere Ehegatte aber gar keinen Zugewinn hatte, etwa in der typischen Hausfrauenehe. Kommt es daher im Erbfall zur sog. güterrechtlichen Lösung, so beseitigt ein Pflichtteilsverzicht nur den sog. kleinen Pflichtteil, der sich nach dem nicht nach § 1371 Abs. 1 BGB erhöhten Ehegattenerbteil errechnet, also bei Vorhandensein von Abkömmlingen nur ein Achtel beträgt, aber im vorliegenden Fall nur ein "Peanut" im Verhältnis zum Zugewinnausgleich ist. Denn der Pflichtteil, auf den ausdrücklich verzichtet wurde, berechnet sich erst nach Abzug der Zugewinnausgleichsforderung. Bei der Zugewinngemeinschaftsehe sollte daher mit den Beteiligten erörtert werden, ob für den Erbfall auch ein Verzicht auf den Zugewinnausgleichsanspruch gewünscht wird.
cc) Unliebsame unterhaltsrechtliche Folgen
Rz. 55
Noch am häufigsten diskutiert wird, welche nachteiligen unterhaltsrechtlichen Folgen ein Pflichtteilsverzicht hat, wobei das entsprechend auch für einen Erbverzicht gilt (ausführlich siehe Rdn 32 ff.).
dd) Verlust der Verteidigungsrechte nach §§ 2319, 2328 BGB
Rz. 56
Bisher kaum beachtet wurde eine andere Problematik: Der Pflichtteil verschafft dem Pflichtteilsberechtigten nicht nur einen Anspruch gegen den Erben oder beim Pflichtteilsergänzungsanspruch u.U. auch gegen den Beschenkten nach § 2329 BGB. Der Pflichtteil kann auch Verteidigungsrechte gewähren. So bestimmt § 2319 S. 1 BGB, dass einer von mehreren Erben, der selbst pflichtteilsberechtigt ist, nach der Teilung des Nachlasses die Befriedigung eines anderen Pflichtteilsberechtigten so weit verweigern darf, dass ihm sein eigener Pflichtteil verbleibt. Noch weiter geht § 2328 BGB: Ist der wegen einer Pflichtteilsergänzung in Anspruch genommene Erbe selbst pflichtteilsberechtigt, so kann er die Ergänzung des Pflichtteils so weit verweigern, dass ihm sein eigener ordentlicher Pflichtteil mit Einschluss dessen verbleibt, was ihm zur Ergänzung seines eigenen Pflichtteils gebühren würde. Nach herrschender, allerdings umstrittener Auffassung gilt die Bestimmung des § 2328 BGB für den nach § 2329 BGB in Anspruch genommenen p...