Dr. iur. Sebastian Berkefeld
Rz. 29
Bei der Berechnung dieses fiktiven Pflichtteils zur Bemessung der Haftungsquote bleiben güterrechtliche Besonderheiten unberücksichtigt (§ 1586b Abs. 2 BGB). Die Erbteilserhöhung des § 1371 BGB ist also hier ohne Belang. Für die Berechnung wird der Fortbestand der geschiedenen Ehe bis zum Tod des Verpflichteten fingiert. Auszugehen ist dann für die Berechnung vom gesamten Nachlass. Infolge des Fiktionszeitpunkts bleibt eine Pflichtteilsreduzierung infolge einer Wiederheirat des Unterhaltsverpflichteten unberücksichtigt.
Rz. 30
Umstritten war lange Zeit, ob in diese Haftungsgrenze auch die Pflichtteilsergänzungsansprüche einzubeziehen sind. Dies erschien insbesondere deshalb zweifelhaft, weil der Pflichtteilsergänzungsanspruch ein gegenüber dem Pflichtteilsanspruch grundsätzlich selbstständiger Anspruch ist. Der BGH (Familiensenat) hat indes entschieden, dass auch Pflichtteilsergänzungsansprüche des Unterhaltsberechtigten gegen den Erben in die Berechnung der Haftungsgrenze nach § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB erhöhend einzubeziehen sind. Er begründet dies mit dem Zweck der Vorschrift. Durch die Vererblichkeit der Unterhaltspflicht sollte der Lebensbedarf des geschiedenen Ehegatten über den Tod des Verpflichteten hinaus in ähnlicher Weise sichergestellt werden, wie dies bei Fortbestand der Ehe durch erbrechtliche Ansprüche erreicht würde. Durch die Beschränkung dieses Unterhaltsanspruchs sollte andererseits der geschiedene Ehegatte nicht mehr erhalten, als er gehabt hätte, wenn seine Ehe statt durch Scheidung durch den Tod des Verpflichteten aufgelöst worden wäre. Dabei wurde für die Haftungsbegrenzung auf den Pflichtteil abgestellt, weil es dem Unterhaltsverpflichteten nach erbrechtlichen Grundsätzen möglich ist, an seinem Nachlass die gesetzliche Mindestbeteiligung des Unterhaltsberechtigten auf diesen Pflichtteil zu beschränken. Wegen dieser Akzessorietät von erbrechtlicher Mindestteilhabe und Höhe der Haftungsbegrenzung müssten aber auch die Pflichtteilsergänzungsansprüche in den Unterhaltsanspruch einbezogen werden. Dadurch würden auch Manipulationsmöglichkeiten ausgeschlossen, weil dem Unterhaltspflichtigen der Anreiz genommen wird, seinen Nachlass durch lebzeitige Schenkungen zu mindern und so den nach seinem Tod weiterbestehenden Unterhaltsanspruch zu entwerten.
Rz. 31
Aus diesem Urteil ergeben sich weitreichende Konsequenzen. Für unsere Problemstellung gilt:
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Anrechnungsbestimmungen nach § 2315 BGB haben bei Zuwendungen unter Ehegatten auch insoweit große Bedeutung, um die Unterhaltslast der Erben nach § 1586b BGB zu verringern. |
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Pflichtteilsreduzierende testamentarische Gestaltungen erlangen auch insoweit immer größere Bedeutung. So sollte der unterhaltspflichtige Ehegatte nur zum Vorerben berufen werden, wenn ihm sein zweiter Ehepartner größeres Vermögen zuwenden will. |
Rz. 32
Nach wie vor ist umstritten, ob ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht auch den Unterhaltsanspruch nach § 1586b BGB gegen die Erben des Unterhaltsschuldners entfallen lässt. Die wohl h.M. bejaht dies. Da der BGH in dem genannten Urteil (siehe Rdn 30) ganz entscheidend auf den Zusammenhang zwischen der Unterhaltspflicht der Erben und der erbrechtlichen Mindestbeteiligung abstellt und damit auch auf die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs, ist nicht auszuschließen, dass der BGH sich dieser h.M. anschließt, wonach ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht des unterhaltsberechtigten Ehegatten die Unterhaltsbelastung der Erben nach dieser Bestimmung entfallen lässt.