Dr. iur. Sebastian Berkefeld
Rz. 17
Bei einem entgeltlichen Pflichtteilsverzicht ist die Vereinbarung eines aufschiebend bedingt durch die Erbringung der Abfindungsleistung wirksamen Pflichtteilsverzichts an sich die geeignetste Lösung, um das Austauschverhältnis zu sichern. Gefahr droht dieser sinnvollen Gestaltung jetzt u.U. durch die Rechtsprechung des BGH, wonach ein Angebot auf Abschluss eines Pflichtteilsverzichts nur zu Lebzeiten des Erblassers angenommen werden kann. Jedoch wird man diese Entscheidung nicht auf unser Problem übertragen können: Selbst wenn man dem BGH folgt, ergeben sich für die Praxis aus einem aufschiebend bedingten Pflichtteilsverzicht keine unüberwindlichen Gefahren: Zwar wirkt nach dem Konzept des BGB ein Bedingungseintritt nicht dinglich wirksam auf den Erbfall zurück; jedoch verpflichtet § 159 BGB die Vertragsteile, sich gegenseitig dann so zu stellen, wie wenn diese Wirkungen bereits mit dem Erbfall eingetreten wären. Sie müssen daher (rückwirkend) den (bereits entstandenen) Pflichtteilsanspruch nach § 397 BGB erlassen. Der Unterschied besteht darin, dass – anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall der verspäteten Annahme – bereits eine zunächst bindende vertragliche Verpflichtung vorliegt, und zwar zumindest aus dem dem Pflichtteilsverzicht zugrunde liegenden Kausalgeschäft.
Rz. 18
Man könnte erwägen, den Pflichtteilsverzicht auflösend bedingt durch die nicht fristgerechte Erbringung der Abfindungsleistung zu vereinbaren. Dies führt zu Beweisproblemen, denn wie soll der Verzichtende die "negative Tatsache" beweisen, dass er nicht die versprochene Gegenleistung erhalten hat? Hier müsste eine vertragliche Beweiserleichterung vereinbart werden. Aber auf alle Fälle würde sich an dem grundsätzlichen Problem nichts ändern: Sieht man mit dem BGH im Erbfall eine Zäsur, die den wesensmäßigen Unterschied zwischen Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsanspruch bewirkt, so besteht auch bei Eintritt der auflösenden Bedingung nach dem Erbfall kein Pflichtteilsrecht mehr. Eine dinglich wirkende Rückwirkung gibt es nach dem Konzept des BGB nicht. Auch hier hilft dann nur die bereits oben entwickelte schuldrechtliche Verpflichtung, dem Verzichtenden durch Zubilligung eines schuldrechtlichen Anspruchs in Höhe seines Pflichtteils einen angemessenen Ausgleich zu gewähren (vgl. Rdn 17).
Rz. 19
Bedenken hat Frenz aus einem anderen Grund gegen die Vereinbarung auflösender Bedingungen im Pflichtteilsverzicht. Er hält dies dann für gefährlich, wenn die auflösende Bedingung erst nach langer Zeit eintritt. Denn dann wäre der Pflichtteilsanspruch wegen der kurzen dreijährigen Verjährung (§ 2332 BGB) bereits verjährt. Dabei übersieht er jedoch die Vorschrift des § 159 BGB über die Verpflichtung zur Rückbeziehung bei Eintritt einer auflösenden Bedingung. Demnach ist der Schuldner des Pflichtteilsanspruchs als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers daran gehindert, die Einrede der Verjährung zu erheben.
Rz. 20
Ein Rücktrittsvorbehalt ist wegen der abstrakten Natur des Erbverzichts bezüglich des unmittelbar verfügend wirkenden Verzichts nach h.M. nicht möglich, wohl aber bezüglich des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts.
Rz. 21
Problematisch kann auch werden, dass Erblasser und Verzichtender ohne Wissen und Mitwirkung des Übernehmers einer lebzeitigen Zuwendung des Erblassers den Verzicht jederzeit wieder aufheben können (§ 2351 BGB; ausführlich siehe Rdn 35 f.).
Bewertung
Pflichtteilsrecht: Der uneingeschränkte Pflichtteilsverzicht beseitigt das gesamte Pflichtteilsrecht des Verzichtenden. Ob dies im Einzelfall wirklich so gewollt ist, ist zu prüfen.
Anderes: Damit nicht die fatale Wirkung eintritt und der Verzichtende nicht doch noch gesetzlicher Erbe wird, ist eine ergänzende, dies ausschließende Verfügung von Todes wegen erforderlich.