Dr. iur. Sebastian Berkefeld
aa) Meinungsstand
Rz. 174
Ob die Abfindung für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht als unentgeltliche Zuwendung anzusehen ist oder gar nicht der Pflichtteilsergänzung unterliegt, ist nach wie vor in Teilen umstritten. Bis zur BGH-Entscheidung vom 3.12.2008 reichte das Meinungsspektrum von der generellen Annahme der Unentgeltlichkeit der Abfindungsleistung bis hin zur uneingeschränkten Berücksichtigung eines subjektiven Willens zur Entgeltlichkeit. Beim reinen Pflichtteilsverzicht wird die Abfindung vielfach eine Ausstattung sein (§ 1624 BGB), die nur als Übermaßausstattung der Pflichtteilsergänzung unterliegt, ansonsten aber pflichtteilsrechtlich über § 2316 BGB beim ordentlichen Pflichtteil erfasst wird. Wer im Übrigen aus dem Gesichtspunkt, dass der Erblasser aus dem Pflichtteilsverzicht ein Stück Testierfreiheit gewinnt oder aus den Vorstellungen der Beteiligten über den Risikocharakter des Rechtsgeschäfts die Entgeltlichkeit ableitet, steht der Lehre von der subjektiven Äquivalenz nahe, während die Gegenansicht mehr der Lehre von der objektiven Entgeltlichkeit zuneigt.
Rz. 175
Beim reinen Erbverzicht ist aber zu berücksichtigen, dass sich dadurch der Erb- und Pflichtteil der anderen nach § 2310 S. 2 BGB erhöht. § 2325 BGB soll daher zur Vermeidung einer doppelten Berücksichtigung einschränkend ausgelegt werden. Der Pflichtteilsberechtigte soll daher wegen ein und derselben Abfindung nicht eine Erhöhung der Pflichtteilsquote nach § 2310 S. 2 BGB und zugleich die Einbeziehung derselben in die Pflichtteilsergänzung verlangen können.
bb) Neuere BGH-Rechtsprechung zum Erbverzicht
Rz. 176
Ob und inwieweit die für einen Erbverzicht geleistete Abfindung als unentgeltliche Zuwendung anzusehen ist, die dem Pflichtteilsergänzungsanspruch unterliegt, hatte bereits früher schon den BGH zwei Mal beschäftigt. In seinem Urteil vom 8.7.1985 hatte der II. Senat die Frage zwar offen gelassen, ging aber bezüglich der Abfindung für einen Erbverzicht "jedenfalls in Höhe des Mehrbetrags über das, was dem Empfänger aufgrund seines Pflichtteilsrechts zugestanden hätte" von einem Pflichtteilsergänzungsanspruch aus. In seinem Urteil vom 28.2.1991 hat der IX. Senat des BGH im Rahmen der Prüfung der Anfechtung nach § 3 AnfG gemeint, dass der Pflichtteilsverzicht in aller Regel keine Gegenleistung ist, die die Verfügung des Schuldners zu einer entgeltlichen macht.
Rz. 177
In seinem Beschluss vom 3.12.2008 lässt der BGH die Frage, ob die für einen Erbverzicht geleistete Abfindung als entgeltliche oder unentgeltliche Leistung anzusehen ist, offen. Denn in jedem Fall unterliege der Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB nur, was über ein Entgelt bzw. über eine angemessene Abfindung hinausgeht. Im Einzelnen wird dazu vom BGH ausgeführt (Tz. 14 ff.): Zwar sei in der Rspr. die Abfindung für einen Erbverzicht als unentgeltliche Zuwendung eingeordnet worden. Diese Auffassung werde im Schrifttum zunehmend geteilt. Dabei müsse aber § 2325 BGB mit Rücksicht auf eine infolge des Verzichts auf das gesetzliche Erbrecht eintretende Erhöhung des Pflichtteils nach § 2310 S. 2 BGB einschränkend ausgelegt: Hält sich die Abfindung in dem Zeitpunkt, in dem sie erbracht wird, der Höhe nach im Rahmen der Erberwartung des Verzichtenden, müsse davon ausgegangen werden, dass sie grundsätzlich zugunsten des Pflichtteilsberechtigten durch § 2310 S. 2 BGB kompensiert wird. Der Pflichtteilsberechtigte soll wegen derselben, für den Erbverzicht eines gesetzlichen Erben geleisteten Abfindung nicht neben dem erhöhten Pflichtteil auch noch einen Ergänzungsanspruch erhalten. Eine Pflichtteilsergänzung komme danach nur in Betracht, soweit die Leistung des Erblassers an den Verzichtenden über eine angemessene Abfindung für dessen Erbverzicht hinausgehe.
Rz. 178
Danach komme es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob die für den Erbverzicht gewährte Abfindung eine entgeltliche oder eine unentgeltliche Leistung war. In jedem Fall unterliegt der Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB nur, was über ein Entgelt bzw. über eine angemessene Abfindung hinausgeht. Dabei ist auf den Wert des Erbteils abzustellen, auf den verzichtet wird, nicht etwa auf den W...