Dr. iur. Sebastian Berkefeld
Rz. 156
Ob die nachträgliche Umwandlung eines zunächst als unentgeltlich vereinbarten Rechtsgeschäfts in ein entgeltliches pflichtteilsrechtlich anerkannt wird, wurde in neuerer Zeit eingehend diskutiert, insbesondere wenn es um die nachträgliche Honorierung für früher bereits erbrachte Pflegeleistungen geht. Nach der h.M. wird eine nachträgliche Begründung der Entgeltlichkeit jedenfalls dann für möglich gehalten, wenn schutzwürdige Interessen Dritter nicht entgegenstehen. Den Parteien sollte es im Rahmen ihrer privatautonomen Gestaltungsfreiheit gestattet sein, ihre Verabredung über die causa der Zuwendung wieder aufzuheben und durch eine anderweitige Verabredung zu ersetzen, so wie es auch bei Austauschgeschäften unstreitig möglich ist, die Gegenleistung nach Abschluss des Rechtsgeschäfts noch anzupassen (etwa beim Kauf). Insbesondere im Pflichtteilsrecht, dem klassischen Fall zu schützender Drittinteressen, lehnten einige Autoren die Zulässigkeit der nachträglichen Umwandlung eines unentgeltlichen Rechtsgeschäfts in ein entgeltliches ab. Dagegen hielt Schindler eine solche Gestaltung dann für pflichtteilsergänzungsfest, wenn bei einer notwendigen Gesamtbetrachtung beider ausgetauschter Leistungen in jedem Vermögen eine Nullbilanz erreicht werde, so dass ein durch die §§ 2325 ff. BGB sanktioniertes und auszugleichendes Minus nicht eintrete. Der Pflichtteilsberechtigte habe die nachträgliche Korrektur ebenso zu akzeptieren, wie er auch die ursprüngliche Vereinbarung von Pflege gegen Entgelt hätte hinnehmen müssen. Voraussetzung dafür ist aber auch nach Schindler, dass die Vorleistung (i.d.R. Pflegeleistung) tatsächlich erbracht sowie die nachträgliche Erhöhung oder die neue Zusage der Vergütung objektiv vertretbar sei und aus Sicht der Beteiligten als angemessen angesehen werden kann.
Rz. 157
Demgegenüber hat der BGH mit Urteil vom 14.2.2007 entschieden, dass kein Pflichtteilsergänzungsanspruch entsteht, wenn der Erblasser zunächst ein Grundstück unentgeltlich übertragen hat, dann aber später ein volles Entgelt für die Zuwendung und die vom Erwerber gezogenen Nutzungen vereinbart wird. Denn das Gesetz schränke die lebzeitige Verfügungsbefugnis des Erblassers nicht ein und schütze den Pflichtteilsberechtigten nicht gegen die Übertragung von Vermögenswerten, für die der Erblasser ein Äquivalent erhalte, selbst wenn dieses im Erbfall verbraucht sei (Rdn 12 des Urteils). Der entschiedene Fall betraf keinen Vorleistungsfall oder einen solchen der vorweggenommenen Erfüllungshandlung (siehe Rdn 149 ff.), in denen unstreitig eine nachträgliche Gewährung einer Vergütung möglich ist und dadurch eine Schenkung ausgeschlossen wird. Vielmehr handelte es sich offensichtlich um einen "Reparaturfall", bei dem erst nach Beurkundung der Grundstückszuwendung die Pflichtteilsproblematik erkannt und durch die Zusatzvereinbarung ein vollentgeltliches Rechtsgeschäft begründet werden sollte. Die sich daraus ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten erscheinen enorm. Jedoch darf nicht verkannt werden, dass schenkungsteuerrechtlich die Dinge wohl ganz anders gesehen werden: Es dürfte sich hier um zwei "freigiebige Zuwendungen" i.S.v. § 7 ErbStG handeln, wobei insbesondere die nachträgliche Zuwendung durch die zunächst beschenkten Kinder an die Eltern in die ungünstige Steuerklasse II mit dem nur geringen Freibetrag von 20.000 EUR fällt. Dies macht zugleich deutlich, dass sich der BGH mit dieser Entscheidung im Rahmen des § 2325 BGB vom allgemeinen Schenkungsbegriff des § 516 BGB löst, wie dies insbesondere schon im Rahmen der Behandlung ehebezogener Zuwendungen deutlich wurde. Denn diese werden hinsichtlich des Pflichtteilsergänzungsanspruchs als Schenkungen behandelt. Zudem sei auch in diesem Zusammenhang nochmals betont, dass man sich vor der Beurkundung von Scheinvereinbarungen (§ 117 BGB) hüten muss (siehe Rdn 155).