Dr. iur. Sebastian Berkefeld
Rz. 118
Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs wird bestimmt durch die Pflichtteilsquote und den Wert des Nachlasses. Die Pflichtteilsquote ist ihrerseits abhängig von der Zahl der Pflichtteilsberechtigten (vgl. insbesondere auch §§ 2303 Abs. 1 S. 2, 2310 BGB).
Rz. 119
Durch das Hinzukommen von neuen Pflichtteilsberechtigten verringert sich der Pflichtteil der bisherigen ganz erheblich. In Betracht kommt hierfür die Geburt von Kindern, die Annahme als Kind oder die Heirat (früher auch die Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, § 1 LPartG). Der letztgenannte Fall ist für die Pflichtteilsreduktion besonders effektiv, da insbesondere durch den Güterstand der Zugewinngemeinschaft bei Ehegatten sich der Pflichtteil nochmals weiter senken lässt, sei es, dass es zur sog. erbrechtlichen Lösung mit einer pauschalen Erhöhung des Erbteils des Ehegatten kommt (§ 1371 Abs. 1 BGB; siehe § 3 Rdn 48 ff.), sei es, dass die güterrechtliche Lösung eintritt (§ 1371 Abs. 2 BGB; siehe § 3 Rdn 51 ff.), bei der die Ausgleichsforderung vorrangig gegenüber den Pflichtteilsansprüchen der Abkömmlinge ist. Gesetzliche Bestimmungen, die der dadurch begründeten Pflichtteilsreduzierung der anderen Berechtigten entgegenstehen, gibt es nicht.
Beispiel
Der wohlhabende Witwer W überwirft sich mit seinen beiden Kindern S und T. Diese hätten je einen Pflichtteil von ¼. Heiratet er die junge Studentin F und belässt es beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so stellt sich der Pflichtteil von S und T je nur noch auf ⅛, wenn die F Erbin wird oder zumindest ein Vermächtnis erhält. Gegen die Gefahren durch eine Scheidung kann W sich durch Vereinbarung einer modifizierten Zugewinngemeinschaft schützen, die den Zugewinnausgleich unter Lebenden ausschließt. Adoptiert W auch noch die voreheliche Tochter der F, so haben seine beiden leiblichen Kinder nur noch einen Pflichtteil von je 1/12.
Rz. 120
Nachdem der Gesetzgeber die frühere Sonderregelung in Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG für nichteheliche Kinder, die vor dem 1.7.1949 geboren wurden, mit Wirkung für alle Erbfälle ab dem 29.5.2009 aufgehoben und dadurch die erbrechtliche Benachteiligung der "alten" nichtehelichen Kinder beseitigt hat, gelten seitdem im Verhältnis des nichtehelichen Kindes zu seinem Vater die allgemeinen erbrechtlichen Vorschriften. Damit bedarf es nunmehr keiner Vereinbarung mehr gemäß des früheren Art. 12 § 10a NEhelG a.F. zwischen Vater und nichtehelichem Kind zur Begründung von gegenseitigen Erb- und Pflichtteilsrechten (sog. erbrechtliche Legitimation).
Rz. 121
Möglichkeiten zur Pflichtteilsreduzierung bestehen schon länger nicht mehr dadurch, dass sich ein eingetragener Lebenspartner verheiratet und damit sowohl für den Lebenspartner als auch für den neuen Ehegatten gesetzliche Erbteile nach §§ 1931, 1371 BGB, § 10 Abs. 1 LPartG entstehen, was sich wohl reduzierend auf den Erb- und Pflichtteil der Abkömmlinge auswirken müsste. Denn durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15.12.2004 wurde § 1306 BGB dahingehend geändert, dass das Bestehen einer solchen Lebenspartnerschaft seitdem ein Ehehindernis ist (unabhängig von dem Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts, siehe Rdn 119).
Bewertung
Pflichtteilsrecht: Das Hinzukommen neuer Pflichtteilsberechtigter führt zwar zur ganz erheblichen Reduzierung des Pflichtteils der bisherigen Pflichtteilsberechtigten. Zu beachten ist aber, dass dies mit der Entstehung neuer Pflichtteilsansprüche der hinzukommenden Berechtigten erkauft wird. U.U. wird also der Teufel mit dem "Belzebub" ausgetrieben.
Anderes: Die neuen Pflichtteilsberechtigten haben außerdem auch andere gesetzliche Ansprüche und Rechte, die sich nicht ohne weiteres ausschließen lassen, so etwa Unterhaltsansprüche.