Dr. iur. Sebastian Berkefeld
1. Umfassender Pflichtteilsverzicht
a) Grundsätzliches, Wirkung
Rz. 9
Ein Pflichtteilsverzicht bewirkt, dass dem Verzichtenden im Erbfall keine aus dem Pflichtteilsrecht entstehenden Ansprüche mehr zustehen, er lässt jedoch das gesetzliche Erbrecht unberührt. Der Pflichtteilsverzicht bedarf der notariellen Beurkundung (§§ 2348, 2346 Abs. 2 BGB) und wird vom Verzichtenden gegenüber dem (künftigen) Erblasser erklärt. Dabei ist die persönliche Anwesenheit des Erblassers erforderlich, also seine Vertretung nicht möglich (§ 2347 Abs. 2 S. 1 BGB). Nur wenn der Erblasser geschäftsunfähig ist, kann der Vertrag ausnahmsweise durch den gesetzlichen Vertreter geschlossen werden (§ 2347 Abs. 2 S. 2 BGB); die Notwendigkeit der Einholung einer familiengerichtlichen Genehmigung ergibt sich aus § 2347 Abs. 1, 1851 Nr. 9 BGB. Nach dem Wegfall der Entmündigung ist jedoch in den meisten Fällen, in denen eine Betreuung für den Erblasser angeordnet ist, zweifelhaft, ob der Erblasser wirklich geschäftsunfähig ist, zumal auch die Betreuungsakten der Amtsgerichte hierzu i.d.R. keine verbindlichen Feststellungen enthalten. Hier empfiehlt sich ein "doppelgleisiges Vorgehen": Der Erblasser und sein Betreuer (mit ausreichendem Wirkungskreis) sollten den Verzicht entgegennehmen, daneben ist die familiengerichtliche Genehmigung einzuholen.
Rz. 10
Der Pflichtteilsverzicht kann durch Angebot und Annahme erklärt werden (§ 128 BGB). Auch kann sich der Verzichtende vertreten lassen, und zwar sogar formlos (§ 167 Abs. 2 BGB). Jedoch ist es nach der Rechtsprechung des BGH erforderlich, dass der Verzicht noch zu Lebzeiten des Erblassers wirksam geschlossen wird, also insbesondere das Angebot noch vor Eintritt des Erbfalls in der erforderlichen Form angenommen wird. Denn der Erbfall stelle die Zäsur zwischen dem Pflichtteilsrecht – auf das verzichtet werden sollte – und dem dann entstehenden Pflichtteilsanspruch dar. Daher ist auf alle Fälle dafür zu sorgen, dass der Pflichtteilsverzicht möglichst schnell wirksam wird.
Rz. 11
Der Pflichtteilsverzicht selbst ist bereits eine zulässige Beschränkung des Erbverzichts (§ 2346 Abs. 2 BGB). Wenn im Einzelfall nichts anderes abweichend vereinbart ist, umfasst Pflichtteilsverzicht auch:
Der Pflichtteilsverzicht schließt zugleich die Berufung auf die Verteidigungsrechte nach §§ 2306, 2318 Abs. 2, 2319 und 2328 BGB aus (vgl. dazu Rdn 56).
b) Entgeltlicher Pflichtteilsverzicht
Rz. 12
Von einem entgeltlichen Pflichtteilsverzicht spricht man, wenn er gegen eine Abfindung zugunsten des Verzichtenden erklärt wird (vgl. dazu bereits Rdn 3).
aa) Kausalgeschäft
Rz. 13
Dem Pflichtteilsverzicht als reines Verfügungsgeschäft liegt ebenso wie dem Erbverzicht regelmäßig ein entsprechendes schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft zugrunde, wenn er gegen Abfindung erklärt wird. Dieses Kausalgeschäft bedarf der gleichen Form wie der Verzicht als Erfüllungsgeschäft; bei Übergabeverträgen ergibt sich die Formbedürftigkeit i.d.R. meist schon aus § 311b Abs. 1 BGB. Durch dieses wird ein synallagmatischer Zusammenhang zwischen Abfindungsleistung und Verzichtserklärung begründet, so dass auf Leistungsstörungen die Bestimmungen über schuldrechtliche Verträge, insbesondere die §§ 320 ff. BGB, anwendbar sind. Zwischen beiden Rechtsgeschäften kann aber auch nur ein bloßer Bedingungszusammenhang bestehen (§ 158 BGB).
bb) Zur Absicherung des Verzichtenden
Rz. 14
Zur Absicherung der Verzichtenden sind möglich:
▪ |
bei Geldleistungen eine notariell zu beurkundende Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), u.U. auch Absicherung über eine Hypothek oder Sicherungsgrundschuld gerade bei langfristigen Zahlungsversprechen (Rangstelle wichtig); |
▪ |
... |