a) Rechtsprechung des BGH
Rz. 33
War früher streitig, ob eine detaillierte Beschreibung der charakteristischen Merkmale erforderlich ist (s. z.B. BayObLG NZV 1995, 163) oder nähere Beschreibungen generell überflüssig sind (so z.B. OLG Hamm NZV 1995, 118) vertritt der BGH (DAR 1996, 99) eine - je nach prozessualer Lage und Qualität des Radarfotos - differenzierende Meinung, die allerdings erst durch die gleichzeitige Aufgabe einer früheren Rechtsprechung, nach der das Rechtsbeschwerdegericht eine eigene Auswertung des Radarfotos grundsätzlich nicht vornehmen und noch nicht einmal prüfen konnte, ob das Foto überhaupt zur Identifizierung geeignet war (BGHSt 29, 18).
Rz. 34
Zwar ist dem Rechtsbeschwerdegericht auch nach der geänderten BGH-Rechtsprechung nach wie vor die Überprüfung der tatrichterlichen Überzeugungsbildung an sich versagt; da es jetzt jedoch durch den Verweis gem. § 267 StPO Zugriff auf das Radarfoto hat, kann es eingreifen, wenn Zweifel an dessen Geeignetheit zur Täteridentifizierung bestehen (OLG Zweibrücken DAR 2002, 234). Im Übrigen richtet sich der zu fordernde Begründungsumfang alleine nach dem prozessualen Vorgehen des Gerichts.
b) Folgende Fallvarianten sind zu unterscheiden:
aa) Bezugnahme (§ 267 Abs. 1 S. 3 StPO)
Rz. 35
Begründet der Richter seine Überzeugungsbildung unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das in den Akten befindliche Foto (§ 267 Abs. 1 S. 3 StPO), braucht er nur noch Ausführungen zur Bildschärfe (OLG DAR 2004, 597; OLG Bamberg NZV 2008, 166) bzw. dazu zu machen, dass das Beweisfoto überhaupt geeignet ist, eine Person zu identifizieren (OLG Koblenz NZV 2010, 212).
Da das Rechtsbeschwerdegericht jetzt jedoch Zugriff auf das Radarfoto hat, müssen auch hier im Urteil Ausführungen zu den für die Identifizierung maßgeblichen individuellen Merkmalen gemacht werden, wenn zweifelhaft ist, ob das in Bezug genommene Frontfoto nach Inhalt und Qualität überhaupt zur Identifizierung eines Betroffenen geeignet ist (OLG Düsseldorf DAR 2011, 408; OLG Hamm DAR 2016, 399; OLG Oldenburg zfs 2018, 353).
An die Bezugnahme sind zwar keine besonderen Anforderungen zu stellen, der entsprechende Wille muss jedoch im Urteil eindeutig und bestimmt zum Ausdruck kommen (OLG Bamberg DAR 2017, 89; OLG Hamm zfs 2018, 233). Dabei sollen Formulierungen wie z.B. "auf die in Augenschein genommenen Lichtbilder wird ausdrücklich Bezug genommen" für eine prozessordnungsgemäße Bezugnahme ausreichen (OLG Hamm DAR 2005, 165; OLG Düsseldorf NZV 2007, 254; a.A. OLG Bamberg DAR 2008, 348).
Ist eine ordnungsgemäße Bezugnahme erfolgt, kann das Rechtsbeschwerdegericht überprüfen, ob das Foto überhaupt eine Täteridentifizierung zulässt (OLG Hamm zfs 2005, 413; Thüringer OLG zfs 2006, 475; OLG Bamberg DAR 2008, 348).
Rz. 36
Achtung: Bei Sachverständigengutachten genügt bloße Bezugnahme nicht
Die bloße Bezugnahme genügt dann nicht, wenn der Richter einen Sachverständigen hinzugezogen hatte. Dann muss er sich auch zu den vom Sachverständigen mitgeteilten Erkenntnissen im Urteil detailliert äußern (OLG Düsseldorf DAR 2018, 387).
Rz. 37
Tipp
Die bloße Angabe der Aktenblattzahl oder die Mitteilung der Fundstelle stellt ebenso wenig eine ausreichende Bezugnahme dar (BayObLG DAR 1997, 498; OLG Bamberg NZV 2008, 211; a.A. OLG Hamm DAR 1996, 417), wie die Mitteilung, das Bild sei in Augenschein genommen und mit dem Betroffenen verglichen worden (OLG Köln NZV 2004, 596; OLG Brandenburg zfs 2010, 527; OLG Koblenz zfs 2012, 714). Das gilt insbesondere auch dann, wenn nicht klar wird, welche Fotos einer Lichtbildmappe zur Identifizierung des Betroffenen als Fahrer herangezogen worden sind (Thüringer OLG NZV 2008, 165).
Unschädlich ist dagegen, dass die einschlägigen Paragraphen nicht ausdrücklich erwähnt werden (OLG Düsseldorf NZV 2007, 254).
Rz. 38
Eine ausdrückliche Bezugnahme gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO soll allerdings dann entbehrlich sein, wenn der Richter das Frontfoto in Form einer Fotografie oder einer Kopie in die Urteilsgründe aufgenommen hat (BayObLG DAR 1996, 289). Dagegen reicht es nicht aus, unter Angabe der Fundstelle in den Akten im Urteil mitzuteilen, das Bild sei in Augenschein genommen und mit einer Person verglichen worden (OLG Köln NZV 2004, 596). Anderes soll allerdings gelten, wenn im Urteil auf die in Augenschein genommenen Bilder ausdrücklich Bezug genommen wird (OLG Hamm DAR 2005, 165).
Rz. 39
Es muss dem Urteil jedenfalls unmissverständlich zu entnehmen sein, dass das Bild ebenso Teil der Urteilsurkunde sein soll wie dessen Text (OLG Brandenburg StraFo 1998, 51; Schleswig-Holsteinisches OLG zfs 2003, 426).
Rz. 40
Die Bezugnahme auf Feststellungen des Sachverständigen, der anhand der in den Akten befindlichen Fotografien mehrere übereinstimmende Merkmale festgestellt hat, ersetzt die richterliche Bezugnahme auf das Foto indessen nicht (OLG Frankfurt NZV 2002, 135).
Rz. 41
Unzulässig ist im Übrigen auch eine Bezugnahme auf Fotografien, die erst nach der Hauptverhandlung zu den Akten gelangt sind (OLG Zweibrücken DAR 2002, 234).
Rz. 42
Achtung: Video-Printbilder
Die Inaugenscheinnahme von Video-Printbildern ist keine Bezugnahme. Wenn de...