Rz. 18
Achtung: Beifahrer und Datenschutz
Aus Datenschutzgründen soll der auf dem Messfoto mitabgebildete Beifahrer unkenntlich gemacht werden. Ist dies jedoch nicht geschehen, kann sich der Fahrer nicht auf ein ihn betreffendes Beweiserhebungsverbot berufen (AG Herford DAR 2010, 592).
1. Einlassung
Rz. 19
In der Regel arbeitet die Polizei heute nicht mehr mit Anhalteposten. Es werden vielmehr Frontfotos gefertigt, mit deren Hilfe der verantwortliche Fahrzeugführer identifiziert werden soll.
Rz. 20
Tipp
Ohne das Frontfoto gesehen zu haben, sollte man keine Einlassung abgeben, denn Statistiken weisen aus, dass fast 15 % der Frontfotos zur Täteridentifizierung nicht geeignet sind.
2. Befragung von Nachbarn oder Arbeitskollegen
Rz. 21
Häufig versuchen Polizeibeamte, den Verantwortlichen durch Befragung von Nachbarn oder Arbeitskollegen zu ermitteln, indem sie ihnen das Täterfoto vorlegen. Darauf muss der Verteidiger den Betroffenen schon bei der Erstberatung hinweisen, vor allem auch darauf, dass nicht nur Angehörige, sondern auch Nachbarn oder Arbeitskollegen nicht verpflichtet sind, der Polizei gegenüber (soweit sie nicht selbst Bußgeldbehörde ist) Angaben zu machen.
3. Passfoto und Datenschutz
a) Umfang
Rz. 22
Oft beachten Polizeibeamte nicht, dass sie auch bei ihren Ermittlungen datenschutzrechtliche Vorschriften zu beachten haben. Stattdessen nehmen sie ohne Weiteres Einsicht in die Passunterlagen der zuständigen Meldebehörde, mit dem Ziel durch einen Vergleich des dortigen Passfotos mit dem Fahrerfoto den Fahrer zu überführen.
Das stellt ebenso einen Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen dar, wie wenn zur Identifizierung Einsicht in die Kartei genommen wird, bevor der Verdächtigte überhaupt Gelegenheit zur Äußerung hatte, denn die Einsichtnahme in die Unterlagen einer anderen Behörde ist erst dann zulässig, wenn der Betroffene Gelegenheit zur Äußerung gem. § 55 OWiG hatte und die Polizei zuvor auf anderem Wege vergeblich versucht hat, die Identität zu klären (§ 24 Abs. 2 Personalausweisgesetz bzw. § 22 Abs. 2 Passgesetz; BayObLG NZV 1998, 339; NZV 2003, 559).
Die Beiziehung der Passfotos soll allerdings allein schon dann zulässig sein, wenn die Polizei festgestellt hat, dass der Betroffene nach dem Vorfall sein Aussehen verändert hat (BayObLG DAR 1999, 79).
Rz. 23
Tipp
Zur Kollision von Datenschutz und Ermittlungstätigkeit allgemein siehe Hassemer,Schäpe, oder die Stellungnahme des Landesbeauftragten für Datenschutz Nordrhein-Westfalen.
b) Beweisverwertungsverbot bei Verstoß gegen Datenschutz?
Rz. 24
Die h.M. sieht auch im Falle eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Vorschriften kein Verwertungsverbot (OLG Stuttgart zfs 2002, 550; BayObLG NZV 2003, 589; DAR 2004, 38; OLG Bamberg DAR 2006, 336). Unstreitig kann sich der Fahrer noch nicht einmal dann auf ein Beweiserhebungsverbot berufen, wenn der auf dem Messfoto mitabgebildete Beifahrer nicht unkenntlich gemacht worden ist (AG Herford DAR 2010, 592).
Zwar kann, falls Polizeibeamte Datenschutzbestimmungen wiederholt verletzen, neben einer Dienstaufsichtsbeschwerde auch eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft in Frage kommen, zu bedenken ist aber, dass nur eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, die von der Staatsanwaltschaft gerade gegen Polizeibeamte als Täter nur selten verfolgt wird. Wirkungsvoller ist es da schon, im Wiederholungsfall den Landesdatenschutzbeauftragten einzuschalten.