I. Sinn und Zweck der Neuregelung
Rz. 21
Mit Wirkung zum 1.4.2002 ist die für den Betriebsübergang maßgebliche Vorschrift § 613a BGB durch zwei weitere Absätze 5 und 6 ergänzt worden. Die Neuregelung dient der Umsetzung des Art. 7 Abs. 6 der RL 2001/23/EG des Rates vom 12.3.2001. Abs. 5 enthält die Verpflichtung der an einem Betriebsübergang bzw. einer Umwandlung beteiligten Rechtsträger, die von dem Übertragungsvorgang betroffenen Arbeitnehmer zu unterrichten. Darüber hinaus nahm der Gesetzgeber in Abs. 6 das bereits richterlich anerkannte Widerspruchsrechts der Arbeitnehmer auf.
Rz. 22
Die Neuregelung verfolgt den Zweck, die Arbeitnehmer genauer über den Betriebsübergang und seine Folgen zu informieren, damit jeder Einzelne auf gesicherter Grundlage entscheiden kann, ob er dem Betriebsübergang zustimmen oder dem Arbeitgeberwechsel widersprechen möchte. Darüber hinaus soll dem bisherigen und dem neuen Arbeitgeber Planungssicherheit gegeben werden.
II. Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers
1. Inhalt
Rz. 23
Die Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB besteht zwingend gegenüber jedem Arbeitnehmer und ist dementsprechend unabhängig von der Betriebsgröße. Unterrichtungspflichtig sind sowohl der bisherige als auch der neue Inhaber des Betriebs. Nach der Gesetzesbegründung sollen sich Betriebsveräußerer und Betriebserwerber untereinander verständigen, in welcher Weise sie ihre Pflicht gemeinsam erfüllen.
Rz. 24
Praxishinweis
Es empfiehlt sich deshalb, dass sich beide Arbeitgeber zunächst besprechen und ggf. gleich lautende Erklärungen nach außen abgeben. Auf diese Weise können auch Auseinandersetzungen über die Frage, ob der Unterrichtungspflicht genügt worden ist, vermieden werden.
Rz. 25
Inhaltlich muss zunächst über den Zeitpunkt des Übergangs informiert werden. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, in dem der neue Betriebserwerber aufgrund rechtsgeschäftlicher Übereinkunft tatsächlich in die Lage versetzt wird, die Leitungsmacht im Betrieb auszuüben.
Rz. 26
Weiterhin muss der Grund für den Übergang genannt werden. Dies bedeutet nun nicht, dass eine detaillierte, mit betriebswirtschaftlichen Zahlen unterlegte Rechtfertigung des Betriebsübergangs verlangt werden kann. Ausschlaggebend ist vielmehr die schlagwortartige Nennung der den Betriebsübergang tragenden Motivation, z.B. Verkauf, wirtschaftliche Einsparung etc. Erforderlich sind ferner Informationen über die Identität des Erwerbers, zum Sitz der Gesellschaft und zur Gesamtschuldnerhaftung sowie zum Widerspruchsrecht.
Rz. 27
Daneben verlangt Abs. 5 die Unterrichtung der von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer über die für sie eintretenden rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs. Diese Folgen ergeben sich in erster Linie aus den unverändert fortbestehenden Regelungen des § 613a Abs. 1 bis 4 BGB. Das BAG hat auch die Unterrichtung über mittelbare Folgen des Betriebsübergangs als erforderlich anerkannt.
Rz. 28
Dies betrifft die Fragen
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der Weitergeltung oder Änderung der bisherigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, |
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der Haftung des bisherigen Arbeitgebers und des neuen Inhabers gegenüber dem Arbeitnehmer, |
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des Kündigungsschutzes, |
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der individualrechtlichen und/oder kollektivrechtlichen Fortgeltung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen und |
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inwieweit bewegliches und Immobiliarvermögen des Betriebs übernommen werden. |
Rz. 29
Schließlich fordert § 613a Abs. 5 BGB die Unterrichtung der Arbeitnehmer über die für sie in Aussicht genommenen Maßnahmen. Dazu gehören in erster Linie der beabsichtigte Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans einschließlich der in dieser Vereinbarung geregelten Inhalte.
Rz. 30
Praxishinweis
Über den Unterrichtungszeitpunkt enthält das Gesetz keine Regelung. Es empfiehlt sich aber die Unterrichtung jedenfalls bis spätestens einen Monat vor dem geplanten Betriebsübergang durchzuführen. Auf diese Weise erlangt man Klarheit über den Kreis der widersprechenden Arbeitnehmer. Wird demgegenüber bereits viele Monate vor dem eigentlichen Betriebsübergang informiert, besteht ein nicht unerhebliches Risiko, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse später noch ändern mit dem Risiko, dass die Arbeitnehmer sich auf eine fehlerhafte Unterrichtung berufen.