I. Grundsätze
Rz. 40
Nach § 613a Abs. 4 S. 1 BGB ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus Anlass des Betriebsübergangs durch den bisherigen oder den neuen Arbeitgeber rechtsunwirksam. Allerdings: Das Kündigungsrecht aus anderen Gründen bleibt unberührt. Mit dem Begriff "Kündigung" ist jede Kündigungsart gemeint, also sowohl die ordentliche (fristgerechte) als auch die außerordentliche (fristlose) Kündigung und die Änderungskündigung.
II. Kündigung "wegen" Betriebsübergangs
Rz. 41
Der Wortlaut des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB bezieht die Unwirksamkeit nur auf Kündigungen, die wegen eines Betriebsübergangs erfolgen. Die entscheidende Frage bei einer im zeitlichen Zusammenhang mit einem Betriebsübergang ausgesprochenen Kündigung ist damit, wann eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen ist. Eine solche Kündigung liegt nach der Rspr. des BAG dann vor, wenn das Motiv der Kündigung wesentlich durch Betriebsinhaberwechsel bedingt ist, wenn mit anderen Worten der Betriebsübergang nicht nur der äußere Anlass, sondern der tragende Beweggrund für die Kündigung gewesen ist. Dabei ist ausschließlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abzustellen. Hingegen kann ein eigenes Sanierungskonzept des Veräußerers zur Verbesserung des Betriebes einen sachlichen Grund darstellen, der aus sich heraus die Kündigung zu rechtfertigen vermag.
III. Umgehung durch Eigenkündigung, Befristung oder Auflösungsvertrag
Rz. 42
Unzulässig ist im Übrigen eine Umgehung der Rechtsfolgen des § 613a BGB in der Form, dass der Arbeitnehmer mit dem Hinweis auf die bevorstehende Betriebsveräußerung und auf Arbeitsplatzgarantien des Betriebserwerbers veranlasst wird, sein Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber selbst fristlos zu kündigen oder einem Auflösungsvertrag zuzustimmen, um damit dem neuen Betriebsinhaber den Abschluss neuer Arbeitsverträge zu ermöglichen. Derartige Eigenkündigungen oder Auflösungsverträge sind wegen gesetzeswidriger Umgehung des Kündigungsverbotes nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Vereinbarungen, die auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers abzielen, sind demgegenüber zulässig.
Unzulässig ist schließlich die Befristung eines Arbeitsverhältnisses, wenn sie allein darauf abzielt, den durch § 613a BGB bezweckten Bestandsschutz zu vereiteln.
Ein zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Arbeitnehmer geschlossener Prozessvergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hingegen wirkt auch für und gegen den Betriebserwerber, wenn der Vergleichsabschluss nach dem Betriebsübergang erfolgte.
IV. Nachteilige Vereinbarungen anlässlich des Betriebsübergangs unwirksam
Rz. 43
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass anlässlich eines Betriebsübergangs zwischen Arbeitnehmern und Betriebserwerbern neue vertragliche Vereinbarungen geschlossen werden. Folgende Grundsätze gelten:
Rz. 44
Einvernehmen besteht zunächst darüber, dass § 613a BGB zwingendes Recht darstellt. Zu Lasten der Arbeitnehmer können dessen Rechtsfolgen weder durch Vereinbarung zwischen Betriebsveräußerer und Erwerber noch durch Vereinbarung zwischen Betriebsveräußerer und den vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmern ausgeschlossen oder modifiziert werden. Unzulässig ist demnach insbesondere z.B. eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, die im Falle des Betriebsinhaberwechsels den Übergang des Arbeitsverhältnisses ausschließt. Wo allerdings eine Umgehung des § 613a BGB nicht zu befürchten ist, sind anlässlich eines konkreten Betriebsübergangs getroffene Vereinbarungen der Arbeitnehmer mit dem Betriebsveräußerer und/oder Betriebserwerber grds. zulässig. Der Schutzgedanke der Bestimmung will nämlich den Arbeitnehmer allein vor ungerechtfertigten Nachteilen bewahren, nicht jedoch seine Vertragsfreiheit generell einschränken. Bedenken gegen die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung ergeben sich allenfalls dann, wenn die Vereinbarung zum Nachteil des Arbeitnehmers vom bisherigen Arbeitsvertrag abweicht. Das BAG fordert daher einen sachlichen Grund für inhaltsändernde Abreden. In der Praxis wird man sich daher darauf einstellen müssen, dass nur solche Vereinbarungen anlässlich eines Betriebsübergangs möglich sind, mit denen die zwingenden Rechtsfolgen des § 613a BGB und der damit bezweckte Schutz nicht beeinträchtigt werden. Demgegenüber ist es ohne weiteres zulässig, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber nach dem Betriebsübergang einvernehmlich beendet.