1. Inhalt, Adressat, Form

 

Rz. 34

Der Widerspruch muss nicht gesondert begründet werden. Ausreichend ist die Erklärung des Arbeitnehmers, mit dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber nicht einverstanden zu sein. Adressat des Widerspruchs ist nach § 613a Abs. 6 S. 2 BGB der bisherige Arbeitgeber (Betriebsveräußerer) oder der neue Inhaber (Betriebserwerber). Zu beachten ist im Falle mehrerer aufeinanderfolgender Betriebsübergänge, dass § 613a Abs. 6 S. 2 BGB an die objektive Rechtslage zum Zeitpunkt des jeweils letzten Betriebsübergangs anknüpft.[74] "Bisheriger Arbeitgeber" ist damit der letztmalige Veräußerer, "neuer Inhaber" der letztmalige Erwerber. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer ein etwa noch bestehendes Recht, dem durch den vorangegangenen Betriebsübergang eingetretenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, nur dann noch wirksam ausüben, wenn er erfolgreich dem mit dem weiteren Betriebsübergang verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber i.S.v. § 613a Abs. 6 S. 2 BGB widersprochen hat.[75]

 

Rz. 35

Der Widerspruch muss schriftlich erklärt werden. Die Textform nach § 126b BGB ist hier nicht ausreichend, sondern es bedarf einer eigenhändigen Unterzeichnung der Erklärungen nach § 126 Abs. 1 BGB, ähnlich wie beim Schriftformerfordernis für Kündigungen oder Auflösungsverträge, § 623 BGB.[76] Der mündliche Widerspruch ist nicht mehr möglich. Die Nichteinhaltung des Schriftformerfordernisses führt zur Unwirksamkeit des Widerspruchs.

[74] BAG v. 19.11.2015 – 8 AZR 773/13 = NZA 2016, 647.
[76] Giesen, in: Besgen/Prinz, Arbeiten 4.0, § 8 Rn 144.

2. Frist

 

Rz. 36

Die Frist für die Ausübung des Widerspruchsrechts beträgt einen Monat. Sie beginnt in jedem Falle mit Zugang der Unterrichtung in Textform nach § 613a Abs. 5 BGB. Aber nur eine ordnungsgemäße Unterrichtung setzt die Widerspruchsfrist in Lauf.[77] Andernfalls wird die Ausübung des Widerspruchsrechts nur durch die Verwirkung begrenzt.[78] Der Arbeitnehmer kann bei ordnungsgemäßer Unterrichtung mit der Ausübung seines Widerspruchsrechts nicht mehr bis zum Zeitpunkt des Übergangs warten. Innerhalb der Monatsfrist kann der Arbeitnehmer sein Widerspruchsrecht aber auch dann noch ausüben, wenn das Arbeitsverhältnis schon beendet ist.[79] Für die beteiligten Arbeitgeber hat die Beschränkung auf die Monatsfrist den Vorteil, dass sie sich bei rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Unterrichtung sich schon frühzeitig darauf einstellen können, mit welchen Arbeitnehmern sie künftig rechnen können und ob ggf. Neueinstellungen vorgenommen werden müssen.

 

Rz. 37

Kommt es zum Widerspruch, hängt der weitere Bestand des Arbeitsverhältnisses mit dem Altarbeitgeber dann davon ab, ob bei ihm das Arbeitsverhältnis fortgeführt werden kann oder nicht. Hat der Altarbeitgeber z.B. seinen gesamten Betrieb veräußert, so kann er nach dem Widerspruch des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis fristgerecht kündigen (zu etwaigen Problemen bei einer dann erforderlichen Sozialauswahl siehe Rdn 50 ff.). Zu beachten ist schließlich, dass die Ausübung des Widerspruchsrechts nicht an einen sachlichen Grund gebunden ist, denn ansonsten würde das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers entwertet[80] (zum kollektiven Widerspruch siehe Rdn 54).

[77] BAG v. 15.2.2007, NZA 2007, 793; BAG v. 20.3.2008, NZA 2008, 1354. Das BAG stellt strenge Anforderungen an eine Verwirkung und legt besonderes Gewicht auf das Umstandsmoment, BAG v. 13.7.2006, NZA 2006, 1406; BAG v. 27.11.2008 – 8 AZR 1021/06, BeckRS 2009, 69950; BAG v. 27.11.2008 – 8 AZR 225/07, n.v.; ausführlich zum Ganzen Gaul/Niklas, DB 2009, 452 ff.; kritisch Gehlhaar, BB 2009, 1182; Rieble, NZA 2009, 401 ff.

3. Abweichende Vereinbarung, Verzicht, Widerruf

 

Rz. 38

Schließlich besteht unabhängig von der nach Abs. 5 erforderlichen Unterrichtung auch die Möglichkeit, eine Vereinbarung zwischen dem betroffenen Arbeitnehmer und seinem bisherigen Arbeitgeber sowie dem neuen Inhaber zur Überleitung des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber abzuschließen.[81] In diesem Fall ruht die Fortführung des Arbeitsvertrags auf einem eigenständigen Rechtsgrund, sodass die Unterrichtungspflichten des § 613a Abs. 5 BGB nicht zur Anwendung kommen.

 

Rz. 39

Auf das Widerspruchsrecht kann pauschal nicht verzichtet werden. Insbesondere kann nicht schon bei Abschluss des Arbeitsvertrages präventiv für einen möglichen späteren Betriebsübergang das Widerspruchsrecht ausgeschlossen werden (zur Verwirkung des Widerspruchsrechts siehe oben Rdn 36). Allerdings hat die Rspr. in der Vergangenheit den Verzicht auf den Widerspruch anlässlich eines konkret bevorstehenden Betriebsübergangs für zulässig angesehen.[82] Ein Verzicht muss jedoch wegen der hohen Bedeutung des Widerspruchsrechts stets eindeutig und zweifelsfrei erklärt werden.[83] Ob die Erklärung eines Verzichts in Al...

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