Rz. 23

In einer Entscheidung zum Vermögensschonbetrag bei Eingliederungshilfeleistungen hat der BGH klargestellt, dass für den Vermögensschonbetrag das Sozialhilferecht des SGB XII und nicht das SGB IX gilt.

 

Fallbeispiel 81: Die Berufsbetreuerin und der Pflichtteilsanspruch

B leidet an einer langjährigen und chronifizierten Psychose und steht unter Betreuung einer Berufsbetreuerin. Er bekommt Eingliederungshilfe (SGB IX). Die Berufsbetreuerin erhielt für ihre in der Zeit vom September 2019 bis März 2020 entfaltete Tätigkeit eine Vergütung in Höhe von 1.650 EUR aus der Staatskasse ausgezahlt.

Unter Berücksichtigung eines Pflichtteilsanspruchs nach seiner verstorbenen Mutter, den das Amtsgericht auf ca. 17.500 EUR geschätzt hat, hat es B durch Beschluss nach §§ 292,168 FamFG zur Zahlung eines einmaligen Betrags in Höhe von 1.650 EUR an die Staatskasse verpflichtet. Hiergegen hat B Beschwerde eingelegt, weil er sich darauf beruft, dass er als Bezieher von Eingliederungshilfe einen erhöhten Vermögensschonbetrag nach § 139 SGB IX beanspruchen könne. Mit Erfolg?

 

Rz. 24

Falllösung Fallbeispiel 81:

Gegen den Beschluss kann B Beschwerde nach § 59 FamFG einlegen. Materiell-rechtlich verweisen die §§ 1908i, 1836c BGB hinsichtlich der Einsatzpflicht des Beschwerdeführers für das Einkommen auf die §§ 82, 85-87 SGB XII und für das Vermögen auf § 90 SGB XII.

Der BGH,[20] der den Fall zu entscheiden hatte, hat ohne weitere Prüfung angenommen, dass es sich bei dem Pflichtteilsanspruch um Vermögen handelt, obwohl nach den sozialhilferechtlichen Abgrenzungsregeln für Einkommen und Vermögen alles dafür spricht, dass zumindest zunächst von einer Rechtsqualität als Einkommen auszugehen war. Denn alles, was während des Bedarfszeitraum zufließt, ist sozialhilferechtlich Einkommen. Auch eine Forderung, die anfänglich Vermögen ist, wird von der Rechtsprechung bei Realisation als Einkommen behandelt (siehe dazu vorstehend zum Pflichtteilsanspruch im SGB XII) und kann erst nach Ablauf von 6 Monaten nach § 82 Abs. 7 SGB XII zu Vermögen mutieren. Nähme man an, dass die Umwandlung in Vermögen Ausgangspunkt der Entscheidung war, dann war die rechtserhebliche Frage, ob der Betreute als Bezieher von Eingliederungshilfe (SGB IX) nach § 1836c Nr. 2 BGB 5.000 EUR nach § 90 Abs. Nr. 9 SGB XII als Schonvermögen geltend machen konnte oder nach § 139 SGB IX 150 % der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV (59.220 EUR alte Bundesländer; 56.070 EUR neue Bundesländer Stand 2021).

 

Hinweis

Die Höhe der Beträge wird durch die Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII näher bestimmt.[21] Es wird zumeist vernachlässigt, dass der Betrag von 5.000 EUR für den Betreuten nach § 2 der DVO angemessen zu erhöhen ist, wenn im Einzelfall eine besondere Notlage der nachfragenden Person besteht. Bei der Prüfung, ob eine besondere Notlage besteht, sowie bei der Entscheidung über den Umfang der Erhöhung sind vor allem Art und Dauer des Bedarfs sowie besondere Belastungen zu berücksichtigen. Der Schonbetrag ist also nicht "in Stein gemeißelt".

 

Rz. 25

Der BGH[22] hat – auch in weiteren Entscheidungen, bei denen es um den Zufluss einer Erbschaft[23] bzw. einer Abfindung für den Verzicht auf ein Wohnungsrecht[24] ging – entschieden, dass § 1836c BGB ausschließlich auf § 90 SGB XII verweise. Ein gesetzgeberischer Wille, den Empfängern von Eingliederungshilfe bei jeder Sozialleistung den erhöhten Freibetrag des § 139 SGB IX zuzubilligen, sei nicht ersichtlich. Es bleibt also nach der Rechtsprechung des BGH bei einem Vermögensschonbetrag von 5.000 EUR.

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