Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
I. Funktion des Nachlassverzeichnisses
Rz. 46
Die Erstellung des Nachlassverzeichnisses gehört zu den Kardinalpflichten des Testamentsvollstreckers, § 2220 BGB. Es bildet die unverzichtbare Grundlage für
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eine ordnungsgemäße Amtsführung des Testamentsvollstreckers, |
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die von ihm geschuldete Rechnungslegung gemäß § 2218 BGB, |
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die Herausgabe des Nachlasses bei Amtsbeendigung, |
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die Ausübung der Kontrollrechte der Erben. |
Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses stellt eine grobe Pflichtverletzung dar und kann gegebenenfalls einen Entlassungsgrund darstellen.
II. Zeitpunkt der Erstellung
Rz. 47
Das Nachlassverzeichnis ist unverzüglich im Sinne des § 121 Abs. 1 BGB nach der Amtsannahme zu erstellen, ohne dass es einer Aufforderung durch den Erben oder einen anderen Berechtigten bedürfte. In Abhängigkeit von den Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsermittlung kann eine Erstellung auch nach Monaten noch fristgerecht sein. Die Verpflichtung endet erst mit Beendigung des Amtes als Testamentsvollstrecker, in diesem Falle auch, wenn das Verzeichnis bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erstellt worden sein sollte. Auch wenn der Erblasser den Testamentsvollstrecker nicht wirksam von der Verzeichnispflicht entbinden kann, kann der Erbe durchaus auf das Nachlassverzeichnis verzichten.
III. Anspruchsberechtigte
Rz. 48
Die Verpflichtung zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses besteht gegenüber
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den Erben bzw. der Erbengemeinschaft, |
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den Pfändungsgläubigern, |
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den Nießbrauchsberechtigten. |
Die Verpflichtung besteht nicht gegenüber:
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den Pflichtteilsberechtigten, |
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den Vermächtnisnehmern. |
IV. Inhalt und Stichtag des Verzeichnisses
Rz. 49
Das Nachlassverzeichnis hat alle Gegenstände aufzuführen, die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegen. Hierzu gehören neben den Nachlassaktiva auch die Nachlasspassiva, auch soweit sie zweifelhaft oder bestritten sind. Nach ganz überwiegender Auffassung ist es nicht erforderlich, dass die Nachlassgegenstände ihrem Wert nach ermittelt werden.
Rz. 50
Jeden Nachlassgegenstand einzeln aufführen zu müssen, erscheint lebensfremd. Sofern die einzelnen Sachen keinen Wert haben, genügt daher beispielsweise die Bezeichnung "Hausrat". Bei Büchern, Briefmarken- und Münzsammlungen scheitert eine Einzelauflistung in aller Regel. Die Angabe "Briefmarkensammlung, 3 Alben" allein kann hingegen den Zweck des § 2215 BGB nicht erfüllen. Ein brauchbares Verzeichnis könnte in einem solchen Fall dann jedoch nur von sachkundigen Personen erstellt werden. Die Beauftragung einer solchen steht jedoch meist in keiner Relation zu dem oftmals geringen Wert der Sachen. Hier wird der Testamentsvollstrecker mit einer sorgfältigen Fotodokumentation seiner Verzeichnispflicht genügen können.
Rz. 51
Gehört ein Unternehmen zum Nachlass, so empfiehlt sich die Erstellung einer handelsrechtlichen Zwischenbilanz auf den Tag der Amtsannahme, und zwar schon aus Gründen der Beweissicherung. Auch wird angeraten, Saldenbestätigungen der Geschäftspartner einzuholen.
Rz. 52
Nach § 2215 Abs. 2 BGB ist das Nachlassverzeichnis vom Testamentsvollstrecker zu unterschreiben und mit der Angabe des Tages seiner Aufnahme zu versehen, insgesamt also schriftlich zu erstellen. Als Stichtag ist richtigerweise der Tag der Amtsannahme des Testamentsvollstreckers anzugeben. Sollten dem Testamentsvollstrecker Veränderungen zwischen dem Erbfall und seiner Amtsannahme bekannt geworden sein, so empfiehlt es sich, dies in einer Erläuterung zum Verzeichnis darzulegen. Nach § 2215 Abs. 4 BGB kann der Erbe verlangen, dass das Nachlassverzeichnis durch einen Notar aufgenommen wird. Anders als der Erbe im Pflichtteilsrecht (§ 2314 Abs. 1 BGB) kann nach dieser Vorschrift aber auch der verpflichtete Testamentsvollstrecker von vornherein gleich von sich aus das Verzeichnis durch einen Notar aufnehmen lassen, und zwar auf Kosten des Nachlasses, § 2215 Abs. 5 BGB.