Hilmar Stobbe, Dr. Jens Tietgens
Rz. 31
Für Schadensfälle ab dem 22. Juli 2017 gilt die Neuregelung des § 844 Abs. 3 BGB. Danach hat der Ersatzpflichtige dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war. Mit § 844 Abs. 3 BGB wurde für Hinterbliebene eine Anspruchsgrundlage geschaffen, wenn eine ihnen nahestehende Person getötet wird. Eine eigene Rechtsgutverletzung beim Anspruchsteller ist dabei nicht erforderlich. Bei § 844 Abs. 3 BGB handelt es sich um eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass Drittschäden nicht ausgeglichen werden.
Rz. 32
Anspruchsberechtigt ist, wer zu der getöteten Person in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis gestanden hat, namentlich der Ehepartner, der Partner nach dem Partnerschaftsgesetz, Kinder, Eltern sowie Personen, bei denen der Grad des Näheverhältnisses eine gleiche Intensität aufweist, wie in diesen im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen. Ansatzpunkt für eine Anspruchsberechtigung könnte sein, dass die Interaktion nicht geringer ist als die zwischen den privilegierten Familienmitgliedern untereinander bzw. sonst eine besonders enge Verbundenheit besteht. Ein vergleichbares Näheverhältnis kommt in Betracht, wenn der Anspruchsteller mit dem Getöteten einen gemeinsamen Hausstand unterhalten und dabei eine emotionale Bindung untereinander bestanden hat, die derjenigen zu einem nächsten Familienangehörigen entspricht. Dies kann beispielsweise für Großeltern und Pflegeeltern gelten.
Rz. 33
Anspruchsvoraussetzung ist entweder eine Haftung aus Delikt oder aus der Betriebsgefahr des den Schaden verursachenden Kraftfahrzeugs. Folglich scheiden vertragliche Ansprüche zur Begründung eines Hinterbliebenengeldes aus.
Rz. 34
Weitere Voraussetzung für ein Hinterbliebenengeld ist der Todeseintritt des Geschädigten. Der Ausgleich soll dem durch den Tod erlittenen Leid dienen. Dieses Leid muss aber (anders als beim Schockschadensersatz) medizinisch nicht fassbar sein. Bei der Bemessung des Anspruchs spielt deshalb (anders als beim Schmerzensgeld) die Ausgleichsfunktion keine Rolle. Das Hinterbliebenengeld dient vielmehr allein dem Ausgleich der Trauer, die durch den Verlust eines nahen Familienangehörigen verursacht wird.
Rz. 35
Für die Höhe des Hinterbliebenengeldes soll die Schockschadenrechtsprechung als Orientierung gelten. In Teilen der Literatur wird eine Bandbreite von 3.000 bis 5.000 EUR für den Durchschnittsfall genannt. Teilweise werden aber auch deutlich höhere Beträge von bis zu 10.000 EUR gefordert. Ein Mitverschulden des Getöteten wird bei der Ermittlung des Hinterbliebenengeldes anspruchsmindernd berücksichtigt.