a) Aufgaben des Schiedsgutachters
Rz. 45
Der Schiedsgutachter soll zwischen den Parteien verbindlich einen Sachverhalt feststellen. Insoweit ist er vom Schiedsrichter abzugrenzen. Der Schiedsrichter entscheidet einen Fall unter allen in Betracht kommenden Rechtsaspekten und unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges. Demgegenüber obliegt dem Schiedsgutachter die Feststellung von Leistungen und Elementen einzelner Rechtssätze. Typischerweise gibt dieser Sachverhalt den Parteien die Grundlage für eine vorzunehmende Subsumtion. Die Entscheidung eines Rechtsstreits, wenn er nicht durch das Schiedsgutachten gerade vermieden wird, obliegt jedoch letztlich dem Gericht, das auch ein Schiedsgericht sein kann.
Es würde allerdings zu kurz greifen, dem Schiedsgutachter nur die Entscheidung von Tatsachenfragen zuzuweisen. Insbesondere im Baurecht kommt dem Schiedsgutachter auch eine rechtliche Aufgabe zu, die in beschränktem Maße die Subsumtion unter Rechtsbegriffe mit sich bringt. Wird ihm bspw. die Frage gestellt, ob Mängel vorliegen, so ist eine Subsumtion der Ist-Beschaffenheit unter die Soll-Beschaffenheit und damit letztlich in beschränktem Maße eine Vertragsauslegung erforderlich. Bei der Frage, ob die Abnahme verweigert werden darf oder ob die Nachbesserung unzumutbar ist, sind ebenfalls rechtliche Wertungen zu treffen. Diese beziehen sich jedoch nur auf einzelne Elemente einer Rechtsbeziehung.
b) Vereinbarung
Rz. 46
Ein Schiedsgutachterverfahren müssen die Parteien vereinbaren. In dieser Vereinbarung werden zugleich die Grenzen der gutachterlichen Tätigkeit festgelegt. Die Parteien können durch genaue Fragestellung, durch Vorgabe bestimmter Prämissen, von denen der Schiedsgutachter auszugehen hat, die von ihm zu beantwortenden Fragen auf rein technische Sachverhalte begrenzen. Da der Schiedsgutachter häufig ein technischer Sachverständiger ist, sollte äußerste Vorsicht walten, wenn er sich auch zu rechtlichen Fragen äußern soll.
Einer Vereinbarung eines Schiedsgutachtens in allgemeinen Geschäftsbedingungen sind Grenzen gesetzt. Das Schiedsgutachten bindet die Parteien außer bei offenkundiger Unrichtigkeit. Damit wird ein Rückgriff auf den staatlichen Rechtsschutz weitgehend ausgeschlossen. Jedenfalls in Formularverträgen mit Verbrauchern sind solche Klauseln wegen Verstoß gegen § 307 BGB unwirksam. Demgegenüber sind sie in Verträgen zwischen Unternehmen auch formularmäßig nicht zu beanstanden.
Die Bindungswirkung inter partes zeigt zugleich die Grenzen des Verfahrens auf. Es ist nicht möglich, durch eine Art Streitverkündung Dritte in das Verfahren einzubeziehen. Dies kann nur vertraglich erfolgen. Soll aufgrund eines Schiedsgutachtens eine Bürgschaft in Anspruch genommen werden, muss der Gläubiger damit rechnen, dass der Bürge erfolgreich geltend macht, durch das Schiedsgutachten nicht gebunden zu sein.
c) Verfahren
Rz. 47
Hinsichtlich des Verfahrens sind die Parteien weitgehend autonom. Sie können dieses entweder schon in der Schiedsgutachterklausel oder in der vertraglichen Vereinbarung mit dem Schiedsgutachter festlegen. Ohne eine solche Vereinbarung besteht die Gefahr, dass noch nicht einmal der elementare Verfahrensgrundsatz des rechtlichen Gehörs gewahrt werden muss. Zwar wird in der Literatur dieser Grundsatz als selbstverständlich auch für den Schiedsgutachter bindend angesehen, ein Großteil der Rechtsprechung sieht dies jedoch anders. Richtigerweise müsste die solchermaßen benachteiligte Partei ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund haben, wenn sie nicht gehört wird.
Nach herrschender Auffassung gibt es zwar kein Verfahren, in dem der Sachverständige wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann. Das Gutachten ist jedoch unverbindlich, wenn Befangenheitsgründe vorliegen. Darüber hinaus steht der Partei ein außerordentliches Kündigungsrecht zu.
Üblicherweise betreiben beide Parteien das Schiedsgutachterverfahren gemeinsam. Aber auch dann, wenn sich eine Partei entzieht, indem sie mitteilt, keinen Anlass für das Verfahren zu sehen und keine Vorschüsse zu zahlen, kann die andere das Verfahren alleine betreiben, indem sie den bspw. von dritter Seite benannten Sachverständigen zunächst alleine bezahlt. Allerdings sollten dann die Fragen des rechtlichen Gehörs (insbesondere Ladung zu den Terminen) sorgfältig beachtet werden. Im Falle der Weigerung am Verfahren mitzuwirken, steht der vertragstreuen Partei ein Kündigungsrecht der Schiedsgutachtervereinbarung zu.