I. Rechtliche Grundlagen
Rz. 52
Die Inhalte des Architekten- und Ingenieurvertrags ergeben sich aus dem Werkvertragsrecht und seit dem 1.1.2018 aus den nun erstmals geregelten Sonderbestimmungen für diese Verträge in dem Untertitel "Architektenvertag und Ingenieurvertrag", §§ 650p ff. BGB. Besonderheiten ergeben sich darüber hinaus aus der HOAI. Deren Zukunft ist allerdings ungewiss, da der EuGH mit aktuellem Urteil festgestellt hat, dass der verbindliche Preisrahmen der HOAI gegen EU-Recht verstößt.
Die 1977 erlassene und seither mehrfach modifizierte HOAI regelte das Honorar für nahezu alle regelmäßig bei der Errichtung von Bauvorhaben zu beauftragenden Architekten und Ingenieure abschließend, sofern sich die anrechenbaren Kosten im Rahmen der sog. Tabellen hielten. Am 18.8.2009 trat eine neue HOAI in Kraft, am 17.7.2013 folgte eine weitere Novelle. Durch sie wurden die Beschreibung der Grundleistungen aktualisiert und die Honorarsätze erhöht.
Praktisch waren damit fast alle Verträge mit Planern einem rigiden öffentlichen Preisrecht unterworfen. Den Parteien ließ es nur in seiner sehr schmalen Bandbreite zwischen Mindest- und Höchstsatz Gestaltungsspielraum. Die Europäische Kommission hat hierin einen Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie gesehen und Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland erhoben. Sie hat geltend gemacht, der verbindliche Preisrahmen der HOAI hindere neue Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten am Zutritt zum deutschen Markt, da sie z.B. keine Honorare unter den Mindestsätzen anbieten könnten. Der EuGH hat der Klage stattgegeben. Zwar sei auch das Argument der Bundesrepublik Deutschland nachvollziehbar, dass die Existenz von Mindestsätzen für Planungsleistungen dazu beitragen kann, eine hohe Qualität von Planungsleistungen zu gewährleisten und die verfolgten Ziele (Qualität der Arbeiten, Verbraucherschutz, Bausicherheit, Erhaltung der Baukultur, ökologisches Bauen) zu erreichen. Deutschland verfolge dieses Ziel aber nicht kohärent und systematisch, da Planungsleistungen auch von nicht reglementierten Dienstleistern ohne Nachweis der fachlichen Eignung (z.B. Bauunternehmen) erbracht werden dürften. Die Mindestsätze könnten gar nicht geeignet und verhältnismäßig sein, so der EuGH, wenn für die Vornahme der Leistungen selbst keine Mindeststandards gelten, die die Qualität dieser Leistungen gewährleisten. Höchstsätze sind ebenfalls nicht zulässig, da auch Preisorientierungen für Leistungen ausreichen könnten. Es steht damit fest, dass der verbindliche Preisrahmen der HOAI gegen EU-Recht verstößt.
Der deutsche Gesetzgeber hat entsprechend reagiert. Zum 1.1.2021 trat die novellierte HOAI in Kraft. Aufgrund des EuGH-Urteils vom 4.7.2019 musste der Verordnungsgeber das verbindliche Preisrahmenrecht unverzüglich abzuschaffen. Die HOAI 2021 hält daher nur noch eine Orientierung für Honorarvereinbarungen bereit und sieht Auffangregelungen für das Fehlen oder die Formunwirksamkeit von Honorarvereinbarungen vor (§ 2a HOAI 2021). Honorarvereinbarungen müssen in Textform getroffen werden (§ 7 HOAI).
Zukünftig können die Vertragsparteien das Honorar flexibel ausgestalten. Vor allem die Popularität von schon bislang verbreiteten – aber häufig unwirksamen – Pauschalpreisen wird weiter zunehmen. Aber auch alternative Vergütungsmodelle sind möglich.
Für laufende Prozesse kann das EuGH-Urteil einschneidende Folgen haben. Dies betrifft insbesondere sog. "Aufstockungsklagen", mit denen der Architekt oder Ingenieur auf Basis der HOAI-Mindestsätze eine über sein vertragliches (Pauschal-)Honorar hinausgehende Vergütung verlangt. Derzeit ist noch ungeklärt, wie mit diesen Klagen umzugehen ist: Es ist höchst streitig, ob das Preisrecht weiter anwendbar ist, da die Dienstleistungsrichtlinie keine Direktwirkung zwischen Privaten entfaltet, oder ob ein Verbot herrscht, unionsrechtswidrig erkannte Regelungen weiter anzuwenden.
Der BGH hat den Streit in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall nicht in der Sache entschieden, sondern dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Insbesondere soll nun der EuGH beantworten, ob die Dienstleistungsrichtlinie in einem Rechtsstreit unmittelbar anzuwenden ist. Der BGH tendiert dazu, diese Frage zu verneinen mit der Folge, dass die Mindestsatzregelung weiter angewendet werden muss. Honorarvereinbarungen, die Mindestsätze unterschreiten, wären also unwirksam. Es bleibt die Entscheidung des EuGH abzuwarten.
Rz. 53
Im Rahmen dieser Formularsammlung wird zunächst ein umfassender Architektenvertrag vorgestellt, der nicht von der sogleich beauftragten Vollarchitektur ausgeht, sondern eine stufenweise Beauftragung zugrunde legt.
Eine erhebliche praktische Bedeutung kommt der Abgrenzung zwischen unentgeltlicher Akquisition und bezahlter Planungsleistung zu. Hierzu werden Empfehlungen gegeben. In der Praxis immer häufiger wird das Verlangen nach einer Honoraranpassung bei Bauzeitverlängerung. Eine entsprechende Klausel ist im Mustervertrag vorgesehen. Die damit verbundene Problematik wird in einem...