1. Bürgschaft
a) Rechtliche Grundlagen
Rz. 35
Im Zusammenhang mit der Absicherung der Ansprüche durch Bürgschaften sind, auch ohne dass Bürgschaften auf erstes Anfordern vereinbart werden, eine ganze Reihe von Besonderheiten zu beachten. Die Rechtsprechung hat sich verstärkt mit Bürgschaften beschäftigt. Die große Anzahl von Insolvenzen im Bausektor hat die Bürgen auf den Plan gerufen. Sie haben die Einwände, die das BGB bereithält, in das Baurecht übertragen und eine beeindruckende Anzahl von Verteidigungsmöglichkeiten geschaffen. Anwaltlich nicht vertretenen Auftraggebern wird es nahezu unmöglich gemacht, noch Ansprüche gegen Bürgen durchzusetzen.
Rz. 36
Zum einen wird § 767 Abs. 1 BGB gelegentlich übersehen. Der Bürge sichert die Hauptschuld so, wie sie im Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft besteht. Durch Rechtsgeschäft zwischen Hauptschuldner und Gläubiger kann die Bürgschaft nach der Begebung nicht erweitert werden (Vertrag zu Lasten Dritter). Ändern die Parteien eines Bauvertrages nachträglich die Ausführungsfristen, so sichert die Vertragserfüllungsbürgschaft Vertragsverletzungen, die zu einer Nichteinhaltung der Ausführungsfristen führen, nicht mehr ab. Kritisch sind für Vertragserfüllungsbürgschaften auch Nachträge. Soweit im normalen BGB-Werkvertrag Nachträge vereinbart werden, beziehen sich Vertragserfüllungsbürgschaften (das gilt insbesondere auch für Bürgschaften nach § 650f BGB) nicht auf diese. Nun lässt die VOB/B ausdrücklich Auftragserweiterungen in § 1 Abs. 3 und 4 und auch in BGB-Verträgen ist häufig die Möglichkeit genannt, für zusätzliche und geänderte Leistungen eine Vergütung zu vereinbaren. In einem obiter dictum hat der 7. Zivilsenat des BGH ausgeführt, in Fällen, in denen solche bereits im Vertrag angelegte Nachträge beauftragt worden sind, dürften entsprechende Vereinbarungen nicht als Erweiterung der Bürgschaftsverpflichtung nach § 767 Abs. 1 S. 3 BGB auszulegen sein. Dem ist der 11. Zivilsenat entgegen getreten. Die gegebene Begründung (unkalkulierbares Risiko für den Bürgen) legt nahe, dass eine entsprechende vorformulierte Klausel im Bürgschaftsformular an der Inhaltskontrolle scheitern könnte. Nach der Regelung der Anordnungsbefugnis in § 650b Abs. 1 BGB dürfte es zu einer Neubewertung in dieser Frage kommen.
Bei der Gewährleistungsbürgschaft stellt sich das Problem mit den Nachträgen nicht, weil die Bürgschaft erst im Zusammenhang mit der Abnahme herausgelegt wird und die Nachträge schon beauftragt sind. § 767 Abs. 1 S. 3 BGB ist schon vom Wortlaut her nicht anwendbar. Hier stellen sich andere Probleme. Rechtsgeschäftliche Verlängerungen der Verjährungsfrist für Mängel zwischen AG und AN binden den Bürgen nicht. Ein weiterer beliebter Ausstieg für den Bürgen ist die schon zum Bauvertrag erwähnte förmliche Abnahme. Haben die Parteien im Werkvertrag eine förmliche Abnahme vereinbart, kommt eine solche jedoch nicht zustande, soll der Bürge frei werden.
Formularmäßige Klauseln, die Gewährleistungsbürgschaften unter Verzicht auf die Einreden nach § 768 BGB verlangen, sind ebenso unwirksam wie solche unter pauschalem Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit. Unwirksam ist auch eine – häufig anzutreffende – Sicherungsabrede, wonach der Bürge auf die Einrede der Anfechtbarkeit verzichten muss. Dies führt zu einer Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsklausel. Diesen Einwand kann der Bürge dem Gläubiger rechtsvernichtend entgegenhalten.
Rz. 37
Besonders riskant ist das Zusammenspiel von Bürgschaft und Zurückbehaltungsrecht. Der Sicherheitseinbehalt ist regelmäßig gegen eine Bürgschaft ablösbar. Es ist nachvollziehbar, dass der AG nicht die Bürgschaft neben dem Bareinbehalt behalten darf, wenn keine Mängel vorliegen. Aus diesem Grund ist der Bareinbehalt auszuzahlen, wenn der AG die Bürgschaft erhält. Der BGH hat zunächst ausgeführt, die Bürgschaft stehe unter der Bedingung der Auszahlung. In den neueren Entscheidungen legt der BGH die Sicherungsvereinbarung dahin aus, dass der Bareinbehalt zurückzugewähren ist.
Kritisch wird die Situation, wenn der AN überzahlt ist und eine Bürgschaft stellt. Nach der Auffassung des OLG München ist in diesen Fällen – wenn nicht gleichwohl die Herauszahlung erfolgt – die Bürgschaft zurückzugeben. Ähnlich ist die Situation, wenn bei Vorlage der Bürgschaft bereits Mängel bestehen. Auch hier soll der AG den Bareinbehalt jedenfalls in Höhe der Bürgschaft auszahlen müssen. Der Bürge kann sich gemäß § 768 BGB darauf berufen, dass der AG die Bürgschaft nicht mehr verwerten darf. Diese Rechtsprechung scheint etwas zu einseitig die Interessen des AN/Bürgen im Auge zu haben. Der AG vereinbart den Sicherheitseinbehalt, weil er in Zeiten zahlreicher Insolvenzen häufig die einzige Möglichkeit ist, Mängelansprüche nicht gänzlich zu verlieren. Demzufolge sollte die Sicherheit nach Möglichkeit während der gesamten Verjährungszeit zur Verfügung stehen und nicht schon bei erster Gelegenheit aufgebraucht werden. Werden schon Abnahmemängel nicht beseitigt...