Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1524
Hauptversammlungsbeschlüsse können bei Verstoß gegen Gesetz oder Satzung wegen inhaltlicher Mängel oder wegen Verfahrensmängeln fehlerhaft sein. Hinsichtlich der Rechtsfolgen wird zwischen lediglich anfechtbaren und nichtigen Beschlüssen unterschieden. Während ein nichtiger Beschluss von Anfang an keine Rechtswirkung zeitigt und nur nach Maßgabe des § 242 AktG geheilt werden kann, ist ein anfechtbarer Beschluss zunächst voll wirksam. Er kann jedoch nachträglich durch Erhebung der Anfechtungsklage vernichtet werden (§ 248 Abs. 1 AktG). Bei mangelhaften Hauptversammlungsbeschlüssen gilt § 139 BGB, d.h. die Mangelhaftigkeit eines Teils eines Beschlusses erstreckt sich im Zweifel auf den Beschluss im Ganzen. § 139 BGB gilt nicht, wenn es darum geht, ob sich die Nichtigkeit eines Beschlusses auf einen weiteren Beschluss der Hauptversammlung erstreckt. Die möglichen Nichtigkeitsgründe sind in § 241 AktG abschließend geregelt, §§ 134, 138 BGB und damit auch § 139 BGB gelten nicht.
Rz. 1525
Auf die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses kann sich jedermann berufen. Aktionäre, der Vorstand und einzelne Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrates können die Nichtigkeit mit der Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG geltend machen. Bei Anfechtbarkeit können sie nach Maßgabe der §§ 243 ff. AktG Anfechtungsklage erheben. Dritten stehen diese Klagebefugnisse nicht zu. Im Fall der Nichtigkeit können sie aber bei Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses nach § 256 ZPO eine allgemeine Feststellungsklage erheben. Schließlich gibt es noch die Unwirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen. Hier liegt kein Verstoß gegen Gesetz oder Satzung vor; es fehlen für die Wirksamkeit des Beschlusses jedoch weitere Erfordernisse wie z.B. Sonderbeschlüsse beteiligter Aktiengattungen (§§ 179 Abs. 3, 182 Abs. 2, 222 Abs. 2 AktG) oder die Eintragung im Handelsregister (§ 181 Abs. 3 AktG).
Hinweis
Eine Schiedsvereinbarung, durch die die Entscheidung über Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen einem privaten Schiedsgericht zugewiesen werden, ist im Aktienrecht unzulässig. Dem Schiedsurteil fehlt die parteiübergreifende Urteilswirkung der §§ 248, 249 AktG. Der BGH hat diesen Standpunkt für das GmbH-Recht in seiner Entscheidung "Schiedsfähigkeit II" nunmehr ausdrücklich aufgegeben. Die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) hat ergänzende Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten der DIS herausgegeben (DIS-ERGeS). Denkbar ist es daher, auch im Aktienrecht die Zulässigkeit eines Schiedsvertrages im Einzelfall unter Einbeziehung aller Aktionäre anzuerkennen. In Betracht kommt dies aber wohl nur für kleine AG mit personalistischer Struktur. Zweifelhaft ist, ob eine Schiedsklausel mit dem Grundsatz der Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG vereinbar ist.
a) Nichtigkeit
Rz. 1526
Die Gründe für die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses sind in § 241 AktG enumerativ aufgezählt. Besondere Nichtigkeitsgründe bestehen in § 250 AktG für die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern, in §§ 253, 173 Abs. 3 AktG für Gewinnverwendungsbeschlüsse und in §§ 256, 173 Abs. 3 AktG für festgestellte Jahresabschlüsse.
Rz. 1527
§ 241 Halbs. 1 AktG betrifft die bereits in anderen Vorschriften enthaltenen Nichtigkeitsgründe. Nichtig sind sodann Beschlüsse, die in einer nicht ordnungsgemäß einberufenen Hauptversammlung getroffen wurden (§ 241 Nr. 1 AktG; s.o. Rdn 1104 ff.), wenn es insgesamt an einer Einberufung fehlt, wenn die Einberufung durch unbefugte Personen erfolgt oder der Vorstand als Einberufungsorgan nicht ordnungsgemäß besetzt ist, wenn die Einberufung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht oder wenn die Einberufung nicht den vorgeschriebenen Mindestinhalt hat (§ 121 Abs. 3 Satz 1 AktG). Zur Nichtigkeit führt auch, wenn bei einer Einberufung per Einschreiben einzelne Aktionäre übergangen werden. Bagatellverstöße führen aber nicht ohne Weiteres zur Nichtigkeit). Bei einer Vollversammlung führen die Einberufungsmängel ausnahmsweise nicht zu ei...