Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 40
Für die Geschäfte aus der Zeit der Vor-GmbH trifft die Gründer, wenn es zur Eintragung der GmbH kommt, die sog. Unterbilanzhaftung/Vorbelastungshaftung, die das frühere Vorbelastungsverbot ablöst. Die Vor-GmbH kann also schon über das eingezahlte Stammkapital verfügen und Verbindlichkeiten eingehen, die letztlich wie die Aktiva mit der Entstehung der GmbH durch die Handelsregistereintragung auf die GmbH übergehen. Die Stammkapitalziffer muss im Zeitpunkt der Eintragung durch das vorhandene Vermögen der Gesellschaft gedeckt sein. Dies erfasst auch evtl. schon vor der gesellschaftsvertraglich vereinbarten Fälligkeit geleistete Resteinlagebeträge. Eine vorhandene Unterbilanz (Aktiva – echte Passiva < Stammkapital) und sogar eine eventuelle Überschuldung (Aktiva – echte Passiva < 0) zum Zeitpunkt der Eintragung der GmbH im Handelsregister muss von den Gesellschaftern ausgeglichen werden. Von der Unterbilanzhaftung ausgenommen sind die sog. Gründungskosten, sofern deren Übernahme durch die Gesellschaft in der Satzung vorgesehen ist.
In der Vorbelastungsbilanz ist als Vermögensbilanz das Gesellschaftsvermögen grds. mit seinen wirklichen Werten nach Fortführungsgrundsätzen anzusetzen. Ist – ausnahmsweise – durch die Aufnahme der Geschäftstätigkeit durch die Vor-GmbH bereits eine Organisationseinheit entstanden, die als Unternehmen anzusehen ist, das über seine einzelnen Vermögenswerte hinaus einen eigenen Vermögenswert repräsentiert, muss für die Zwecke der Unterbilanzhaftung das Unternehmen im Ganzen nach einer hierfür betriebswirtschaftlich anerkannten Bewertungsmethode bewertet werden. Von einem solchen Unternehmen kann – auch bei sog. Start-up-Unternehmen – nur dann die Rede sein, wenn es sich um ein bewertungsfähiges, strukturiertes und in das Marktgeschehen integriertes Unternehmen handelt. Bei negativer Fortbestehensprognose ist das Gesellschaftsvermögen allerdings zu Veräußerungswerten zu bilanzieren.
Rz. 41
Die Gesellschafter haften proratarisch (entspr. ihrer Beteiligung), unbeschränkt, persönlich und wertmäßig für die Aufbringung des Stammkapitals. Die Vorbelastungshaftung ist vom BGH als Innenhaftung (Anspruch der GmbH gegen die Gesellschafter) konzipiert. Die Gläubiger können die entspr. Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter jedoch pfänden und überweisen lassen. Ein direkter Zugriff der Gläubiger auf die Gesellschafter im Wege der Außenhaftung wurde bisher allgemein bei Vermögenslosigkeit der GmbH oder im Fall der Einmann-Gesellschaft angenommen. Anders hat für beide Fälle der BGH mit Urt. v. 24.10.2005 entschieden: Der grundlegende Unterschied zwischen der Ausgangssituation bei der Verlustdeckungshaftung und der Unterbilanzhaftung, nämlich dass es nur bei letzterer zur Eintragung kommt, rechtfertige es, das Haftungssystem der Verlustdeckungshaftung nicht vollständig zu übertragen. Vielmehr dürfe nach Eintragung der GmbH das in § 13 Abs. 2 GmbHG wirksam werdende Trennungsprinzip nicht mehr durchbrochen werden; eine persönliche Haftung der Gesellschafter sei damit, auch bei einer Einmann-GmbH oder der Vermögenslosigkeit, ausgeschlossen. Mit der herrschenden Meinung gehen aber auch hier auch andere Bundesgerichte von einer nur proratarischen Haftung aus. Fällt einer der proratarisch haftenden Gesellschafter aus, greift die subsidiäre Haftung der Mitgesellschafter nach § 24 GmbHG ein.
Rz. 42
Der Anspruch aus Unterbilanzhaftung verjährt entspr. § 9 Abs. 2 GmbHG. Die Verjährungsfrist für die Differenzhaftung, Einlageforderungen und Rückzahlungsforderungen hat der Gesetzgeber einheitlich auf zehn Jahre (§§ 9 Abs. 2, 19 Abs. 6, 31 Abs. 5 GmbHG) festgelegt. Einzelne Vorschriften enthalten eine privilegierte Verjährung in fünf Jahren (§§ 31 Abs. 3, 43 Abs. 4 GmbHG).
Problematisch ist häufig die Durchsetzung der Unterbilanzhaftung. Anspruchsteller ist in aller Regel der Insolvenzverwalter, der aber meist keine oder nur unvollständige Geschäftsunterlagen vorfindet. Eine Bilanz auf den Zeitpunkt der Eintragung ist regelmäßig nicht erstellt. Nach den allgemeinen Regeln wäre die Gesellschaft – bzw. bei Insolvenz der Insolvenzverwalter – für das Bestehen von Unterbilanzhaftungsansprüchen darlegungs- und beweispflichtig. Den Schwierigkeiten des Insolvenzverwalters hinsichtlich entsprechender Substantiierung begegnet der BGH mit den Grundsätzen über die sekundäre Behauptungslast: Ergeben sich unter den bezeichneten Voraussetzungen aus dem dem Insolvenzverwalter vorliegenden Material hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das Stammkapital der Gesellschaft schon im Gründungsstadium angegriffen oder verbraucht worden ist oder sogar darüber hinausgehende Verluste entstanden sind, ist es Sache der Gesellschafter darzulegen, dass eine Unterbilanz nicht bestanden hat, wenn weder eine Vorbelastungsbilanz auf den Stichtag erstellt wurde noch geordnete Geschäftsunterlagen existieren.