Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
a) Allgemeine Voraussetzungen
Rz. 352
§ 48 GmbHG unterscheidet zwei Fälle für das Zustandekommen von Gesellschafterbeschlüssen:
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Abs. 1 regelt die Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung (diese kann gem. Satz 2 mit Einverständnis (in Textform) aller Gesellschafter auch virtuell stattfinden), |
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während Abs. 2 auch die Beschlussfassung außerhalb der Gesellschafterversammlung im Umlaufverfahren vorsieht. |
Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung setzt zunächst die Beschlussfähigkeit der Versammlung voraus, sowie – außer im Fall der Einmann-GmbH –einen Beschlussantrag, der so konkret formuliert ist, dass über ihn mit "Ja" oder "Nein" entschieden werden kann.
Die Beschlussfähigkeit liegt vorbehaltlich abweichender Satzungsregelungen bei ordnungsgemäßer Einberufung der Gesellschafterversammlung bereits dann vor, wenn nur ein Gesellschafter erscheint. So bedarf bspw. eine Änderung des Unternehmensgegenstandes als Satzungsänderung nach § 53 Abs. 2 GmbHG einer Mehrheit von drei Vierteilen der abgegebenen Stimmen, setzt also gerade keine Mindestpräsenz voraus. Das gleiche gilt analog § 293 Abs. 1 Satz 2 AktG für den Zustimmungsbeschluss der herrschenden Gesellschaft zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages. Hingegen bedarf die Änderung des Gesellschaftszwecks, etwa von einer Gewinnerzielungsabsicht hin zur Verfolgung ideeller Zwecke, ebenso wie der Zustimmungsbeschluss der abhängigen Gesellschaft zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages nach wohl h.M. einer Zustimmung aller Gesellschafter entsprechend § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB. In diese Kategorie fallen auch Beschlüsse über die Herabsetzung von Beschlussquoren. Sieht die Satzung hier höhere als die gesetzlich geforderten Anforderungen an die Beschlussfähigkeit vor, bedarf es für den Beschluss über eine Herabsetzung auf das gesetzliche Niveau der Zustimmung und damit auch der Vertretung der aktuell im Gesellschaftsvertrag geforderten Mehrheit der Stimmen.
Rz. 353
Zur Stellung von Anträgen ist jeder Gesellschafter befugt, auch wenn ihm generell oder im Einzelfall kein Stimmrecht zustehen sollte. Die Satzung kann weiteren Personen die Antragsberechtigung zusprechen.
b) Stimmrechtsvollmacht
Rz. 354
Das Stimmrecht kann durch Bevollmächtigte ausgeübt werden. Die Satzung kann allerdings den Kreis derjenigen, die bevollmächtigt werden können, begrenzen (vgl. Rdn 230). Unwiderruflichen, das Stimmrecht des Vollmachtgebers verdrängenden Stimmrechtsvollmachten steht das Verbot der Stimmrechtsabspaltung entgegen. Zulässig sind "unwiderrufliche" Vollmachten nach wohl h.M. hingegen, wenn ein Widerruf aus wichtigem Grund möglich ist oder die Vollmacht bei Beendigung des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts endet.
Die Stimmrechtsvollmacht muss zumindest in Textform erteilt werden (§ 47 Abs. 3 GmbHG). Die Einhaltung der Textform ist nach h.M. Wirksamkeitsvoraussetzung. Eine Berufung auf die fehlende Form kann allerdings treuwidrig sein, wenn allen Gesellschaftern die formlos erteilte Vertretungsmacht bekannt war und kein Gesellschafter der Stimmabgabe durch den Vertreter widersprochen hat. Wenn ein Bevollmächtigter die Vollmacht in der Gesellschafterversammlung nicht nachweist, braucht er weder zur Teilnahme noch zur Abstimmung zugelassen zu werden. Nicht selten sind allerdings (Vorsorge-)Vollmachten nicht mit den Regelungen der Satzung abgestimmt und stehen dann gerade der Wahrnehmung des Stimmrechts durch die in der Vollmacht benannte Person entgegen.
Rz. 355
Eine Vollmachtserteilung ist auch mit Wirkung über den Tod des Vollmachtgebers hinaus möglich. Einem Widerruf einer postmortalen Vollmacht durch die Erben kann nach h.M. durch die Ausgestaltung der Vollmacht als unwiderruflich vorgebeugt werden, wobei die vorgenannten Anforderungen an eine unwiderrufliche Vollmacht zu beachten sind. Insbesondere steht dem Vollmachtgeber bzw. den Erben immer auch das Recht zur persönlichen Ausübung des Stimmrechts zu, da eine verdrängende Vollmacht nicht zulässig ist. Die Ausübung des Stimmrechts durch die Erben selbst kann nur durch einen Stimmrechtsverzicht der Erben in den rechtlich zulässigen Grenzen verhindert werden.
Rz. 356
Die Stimmabgabe durch einen vollmachtlosen Vertreter setzt zunächst voraus, dass der Vertreter überhaupt zur Teilnahme und Stimmabgabe zugelassen wurde. Ist dies ...