Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
a) Allgemeines
Rz. 1985
Die AG ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 InsO insolvenzfähig. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt zur Auflösung der Gesellschaft (§ 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG). Gleiches gilt, wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird (§ 262 Abs. 1 Nr. 4 AktG). Insolvenzfähig ist auch die Vor-AG. Die Vorgründungsgesellschaft ist nur reine Innengesellschaft und daher nicht insolvenzfähig. Hat die Vorgründungsgesellschaft bereits eigenes Vermögen, handelt es sich um eine GbR oder um eine OHG. Sie ist in diesem Fall ebenso insolvenzfähig (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO).
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt zur Auflösung der AG (§ 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG). Zur Auflösung der AG kommt es auch, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird (§ 262 Abs. 1 Nr. 4 AktG).
An die Auflösung der AG schließt sich grds. ein Abwicklungsverfahren nach §§ 264 ff. AktG an. Eine Abwicklung findet nicht statt, wenn über das Vermögen der AG das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (§ 264 Abs. 1 AktG).
Rz. 1986
Das Insolvenzgericht hat die Eröffnung wie auch die Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse dem Handelsregistergericht mitzuteilen und die entsprechenden Unterlagen zu übermitteln (§ 31 InsO). Im Handelsregister sind deshalb nach §§ 6, 32 Abs. 1 HGB folgende Ereignisse des Insolvenzverfahrens einzutragen:
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Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, wenn ein allgemeines Verfügungsverbot oder ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet wurde (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO), |
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Aufhebung einer derartigen Sicherungsmaßnahme, |
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Eröffnung, Aufhebung und Einstellung des Insolvenzverfahrens, |
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Anordnung und Aufhebung der Eigenverwaltung, |
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Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts für bestimmte Rechtsgeschäfte (§ 277 InsO), |
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Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans und die Aufhebung der Überwachung. |
b) Insolvenzantragspflicht, Einberufung einer Hauptversammlung, weitere Vorstandspflichten
Rz. 1987
Bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ist der Vorstand verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber nach 3 Wochen Insolvenzantrag zu stellen (§§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Insolvenzantragspflicht korrespondiert mit einer Selbstprüfungspflicht nach § 91 Abs. 2 AktG. Danach hat der Vorstand geeignete Maßnahmen zu ergreifen, insb. ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen frühzeitig erkannt werden. Diese Pflicht ist dann erfüllt, wenn das Management die drohende Insolvenz frühzeitig erkennt, diese abwendet oder ein sanierungsunfähiges Unternehmen rechtzeitig liquidiert. Ggf. ist hierzu externer Sachverstand einzuholen. Verletzt er diese Pflichten, droht eine Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG für den vollen Schaden.
Rz. 1988
Im Fall bloß drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) besteht eine Insolvenzantragspflicht nicht. Will der Vorstand gleichwohl Insolvenzantrag stellen, insb. um die Gesellschaft im Rahmen eines sog. Schutzschirmverfahrens zu sanieren (§ 270b InsO), ist ein einstimmiger Antrag oder eine Antragstellung in vertretungsberechtigter Zahl erforderlich (§ 18 Abs. 3 InsO). Str. ist weiter, ob der Vorstand nach der Holzmüller-Rspr. verpflichtet ist, vorab die Hauptversammlung einzuberufen (s.o. Rdn 1926). Das OLG München hat dies bei einer GmbH & Co. KG bejaht. Folgt man dem, muss die Hauptversammlung dem Insolvenzantrag mit qualifizierter Kapitalmehrheit zustimmen. Nach a.A. sei in diesem Fall eine Zustimmung des Aufsichtsrates erforderlich, aber auch genügend.
Rz. 1989
Im Fall der Führungslosigkeit (§ 78 Abs. 1 Satz 2 AktG) trifft die Insolvenzantragspflicht jedes Aufsichtsratsmitglied, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis (§ 15a Abs. 3 InsO). Unabhängig von einer solchen Kenntnis ist im Fall der Führungslosigkeit jeder Aktionär, aber auch jedes Aufsichtsratsmitglied berechtigt, den Insolvenzantrag zu stellen (§ 15 Abs. 1 Satz 3 InsO). Auch wenn keine Führungslosigkeit vorliegt, muss sich der Aufsichtsrat stets ein Bild von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft machen und im Fall der Insolvenzreife auf einen Insolvenzantrag hinwirken. Auch hier droht anderenfalls eine Haftung auf Schadensersatz nach §§ 116, 93 Abs. 2 AktG.
Rz. 1990
Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung darf der Vorstand nach § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG keine Zahlungen mehr leisten, soweit dies nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind (Massesicherungspflicht).
Hier besteht für den Vorstand ggf. die Gefahr einer Pflichtenkollision. Führt er bspw. Arbeitnehmerbeiträge bzw. Lohnsteuer ab, droht ihm wegen Verletzung seiner Massesicherungspflicht eine Haftung aus §§ 92 Abs. 2 Satz 2, 93 Abs. 2 AktG. Unterlässt er dies, droht ihm eine Haftung nach § ...