Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 480
Das vor dem Inkrafttreten des MoMiG geltende Eigenkapitalersatzrecht wurde vom Gesetzgeber aufgegeben und im Wesentlichen in die InsO überführt. An die Stelle der Betrachtung von Gesellschafterdarlehen als eigenkapitalersetzend ist eine insolvenzrechtliche Betrachtung getreten. Grds. haftet der Gesellschafter nicht über seine Stammeinlage hinaus, selbst wenn er der Gesellschaft Fremdkapital zur Verfügung stellt. Gem. § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG verstoßen Tilgungsleistungen auf Gesellschafterdarlehen nicht mehr gegen die Kapitalerhaltungsregelungen; § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist ausdrücklich nicht auf Gesellschafterdarlehen und Leistungen, die solchen wirtschaftlich gleichstehen, anzuwenden. Damit werden diese nicht mehr wie gebundenes Eigenkapital behandelt und unterliegen somit nicht mehr dem Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Konsequenz daraus ist, dass auch die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter nach § 31 Abs. 3 GmbHG entfällt. Nur im Falle der Insolvenz kommt es zur Benachteiligung der (Rückzahlungs-)Ansprüche des Gesellschafters gegenüber den Forderungen der übrigen Gläubiger. In der Insolvenz greift dann die Nachrangregelung in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und die Anfechtungsmöglichkeit gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Rspr. des nach Inkrafttreten des MoMiG für sog. Neufälle zuständigen IX. Senats (vorher II. Senat) des BGH in weitem Umfang auf die Prinzipien des früheren Eigenkapitalersatzrechts Bezug nimmt. Der Gedanke der sog. Finanzierungsfolgenverantwortung sei auch dem neuen Recht eigen.
a) Nachrangigkeit sämtlicher Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz
Rz. 481
Gesellschafterdarlehen sind gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO im Fall einer Insolvenz erst dann zu befriedigen, wenn alle anderen Insolvenzforderungen erfüllt wurden. Wurde ein Rangrücktritt nach § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO vereinbart, sind diese Gesellschafterdarlehen weiter nachrangig und zuletzt zu befriedigen.
Durch diese Regelungen wird die Position der Gesellschafter im Fall der Insolvenz der GmbH wesentlich verschlechtert. Sie werden nun mit sämtlichen Darlehen, die sie der Gesellschaft gewährt haben, zuletzt befriedigt. Unerheblich ist hierbei die Situation, in welcher sie die Darlehen gewährt oder eine wirtschaftlich vergleichbare Handlung vorgenommen haben. Dieser Nachrang setzt sich auch an den für solche Darlehen von der Gesellschaft bestellten Sicherheiten fort.
Sollte eine Tilgung dieser Darlehen gegenüber den Gesellschaftern erfolgen, kann der Insolvenzverwalter diese anfechten und somit einen Rückgewähranspruch der Insolvenzmasse begründen, wenn die Rückzahlung im letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrags erfolgte (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Wird die Gesellschafterdarlehensforderung innerhalb eines Jahres vor Antragstellung abgetreten und anschließend von der Gesellschaft getilgt, so soll nach Auff. des IX. Senates Anfechtungsgegner sowohl der Zessionar als auch der Gesellschafter sein. Beide seien Gesamtschuldner der anfechtbaren Leistung.
Auch die Verwertung der Sicherheit durch den Gesellschafter kann durch den Insolvenzverwalter angefochten werden, da die Nachrangigkeit der Darlehensforderung (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) zur Unverwertbarkeit der dafür bestellten Sicherheit führt. Die Nachrangigkeit aller Gesellschafterdarlehen hat auch die Anfechtbarkeit kurzfristiger Überbrückungskredite zur Folge, wobei fortlaufende Kredite wie ein Kontokorrent zu behandeln sind, d.h. die Anfechtung ist beschränkt auf die Rückführung des jeweils höchsten Darlehensstandes.
Auch die Abtretung einer Gesellschafterdarlehensforderung an einen nicht als Gesellschafter einzuordnenden Dritten ändert nichts an der Nachrangigkeit des Darlehens. Der Zessionar muss sich die Nachrangigkeit entspr. des Rechtsgedankens des § 404 BGB entgegenhalten lassen. Dies gilt, sofern die Abtretung innerhalb der Jahresfrist des § 135 InsO erfolgte. Auch bei Aufgabe der Gesellschafterstellung ist der Darlehensrückzahlungsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters nachrangig, wenn er innerhalb der Jahresfrist oder nach Insolvenzantragstellung ausgeschieden ist. Soweit hingegen entweder der Gesellschafter bereits ein Jahr vor Insolvenzantrag die Forderung abgetreten hat oder als Gesellschafter ausgeschieden ist, lässt sich eine Anfechtbarkeit von Zahlungen allein aus dem Umstand heraus, dass es einst ein Gesellschafterdarlehen war, nicht rechtfertigen.
Die durch das MoMiG erfolgte eindeutige insolvenzrechtliche Zuordnung der Problematik der Gesellschafterdarlehen hat zur Folge, dass die Vorschriften über die Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen auch für im EU-Ausland gegründete Kapitalgesellschaften über deren Vermögen in Deutschland das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet worden ist, ge...