Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 384
Es wird kontrovers diskutiert, ob die Beschlüsse einer Versammlung von Anteilseignern einer Kapitalgesellschaft einer materiellen richterlichen Kontrolle unterliegen, d.h. einer sachlichen Rechtfertigung bedürfen. Die kapitalgesellschaftsrechtlichen Normen sehen eine solche materielle Inhaltskontrolle jedoch nicht vor.
Rz. 385
Eine Kapitalerhöhung führt zur Entstehung neuer bzw. zur Erhöhung bereits bestehender GmbH-Anteile. In der Folge vermindert sich die Beteiligungsquote der Gesellschafter, die an der Erhöhung – aus welchen Gründen auch immer – nicht teilnehmen, an der Gesamtzahl aller Geschäftsanteile, sodass deren Stimmkraft in der Gesellschafterversammlung herabgesetzt wird (sog. "Verwässerung"). Das Gleiche gilt auch für den Anteil am Gewinn bzw. am Liquidationserlös, da auch dieser sich am Grad der Beteiligung orientiert.
Rz. 386
Daraus schlussfolgerten Stimmen in der Lit., dass jegliche Mehrheitsentscheidung aus Gründen des Minderheitenschutzes einer sachlichen Rechtfertigung bedürfe. Die Rspr. hat zu Recht – soweit ersichtlich – eine Notwendigkeit der sachlichen Rechtfertigung jedweder Mehrheitsentscheidung nicht bejaht, sondern verlangt einen sachlichen Grund nur in besonders gelagerten Fällen. So hat der BGH in der sog. "Kali & Salz"-Entscheidung einen sachlichen Grund verlangt für einen Ausschluss des Bezugsrechtes bei einer Kapitalerhöhung einer AG, eine Kapitalherabsetzung und für Beschlüsse, die eine rechtliche oder faktische Abhängigkeit der Gesellschaft von Dritten zur Folge haben. Für andere Fallgruppen lehnt die Rspr. eine richterliche Inhaltskontrolle ab, so für den Auflösungsbeschluss und die vereinfachte Kapitalherabsetzung.
Rz. 387
Eine materielle Beschlusskontrolle bei einer Kapitalerhöhung findet also nur statt, wenn das Bezugsrecht mit ausgeschlossen wird. Aber auch dann erstreckt sich die Notwendigkeit einer sachlichen Rechtfertigung nicht auf die Kapitalerhöhung selbst, sondern nur auf den Bezugsrechtsausschluss. Wobei man in der Lit. der Auffassung ist, dass angesichts der personalistischen Struktur der GmbH die Frage restriktiver und anders als bei der AG zu beantworten sei.
Rz. 388
Die Ablehnung einer umfänglichen und generellen materiellen Beschlusskontrolle bedeutet aber nicht, dass die Minderheit schutzlos bleibt. Vielmehr muss sich jede Mehrheitsentscheidung an den allgemeinen Grenzen eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäftes – also §§ 138, 242 BGB – sowie an den Treuepflichten der Gesellschafter untereinander messen lassen. In der Praxis werden gleichwohl keine wesentlichen Unterschiede auftreten, da die in der Lit. geforderte sachliche Rechtfertigung keine Zweckmäßigkeitskontrolle bedeutet. Vielmehr müsse nur nachgewiesen werden, dass das Vorgehen der Mehrheit im Gesellschaftsinteresse als sachlich vertretbar erscheint. Was aber als sachlich nicht mehr vertretbar gilt, wird im Regelfall auch gegen § 242 BGB verstoßen.