Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
a) Anwendungsbereich
Rz. 1600
Das Spruchverfahren ist eine Folge des Grundsatzes "Dulde und Liquidiere" und gibt hierfür das Verfahren. Die Verfahrensordnung selbst ist im SpruchG enthalten. Subsidiär gilt das FamFG.
Rz. 1601
Die wichtigsten Anwendungsfälle des Spruchverfahrens sind in § 1 SpruchG genannt:
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§§ 304, 305 AktG (Ausgleich und Abfindung außenstehender Aktionäre bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen), |
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§ 320b AktG (Abfindung ausgeschiedener Aktionäre bei Eingliederung), |
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§§ 327 ff. AktG (Abfindung der Minderheitsaktionäre bei Squeeze-Out), |
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§§ 15, 29, 30, 176 ff., 184, 186, 212 UmwG (Zuzahlung oder Abfindung bei Umwandlungsvorgängen). |
Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Anwendung findet das Verfahren bei der Entschädigung für die Abschaffung von Mehrstimmrechten nach § 5 Abs. 5 EGAktG. Auch im Fall des Delisting gilt das SpruchG.
b) Antragsberechtigung, Antragsgegner
Rz. 1602
Die Antragsberechtigung ist in § 3 SpruchG geregelt und differenziert danach, aufgrund welcher Grundlage das Spruchverfahren durchgeführt wird. Gleiches gilt im Hinblick auf die Bestimmung des Antragsgegners nach § 5 SpruchG. Die Antragsberechtigung ist durch Urkunden nachzuweisen (§ 3 Satz 2 SpruchG). Sind die Anteile nicht verbrieft und besteht auch nicht die Möglichkeit des Nachweises mittels Depotauszug wie z.B. bei nicht börsennotierten Aktien ohne Ausgabe von Aktienurkunden, ist auch ein anderer Nachweis möglich. Abgestellt wird auf den Zeitpunkt der Antragstellung.
c) Antragsfrist, Antragsinhalt, Zuständigkeit
Rz. 1603
Die Antragsfrist beträgt einheitlich 3 Monate (§ 4 SpruchG). Der Antrag ist innerhalb dieser Frist zu begründen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 SpruchG). In § 4 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 SpruchG ist gleichzeitig der notwendige Inhalt des Antrags genannt. Nicht erforderlich ist, die für angemessen gehaltene Kompensation schon im Antrag zu beziffern. Zuständiges Gericht ist das LG, in dessen Bezirk der Rechtsträger, dessen Anteilsinhaber antragsberechtigt sind, seinen Sitz hat (§ 2 Abs. 1 SpruchG).
d) Gemeinsamer Vertreter
Rz. 1604
Nach § 6 SpruchG wird den Antragsberechtigten, die nicht selbst einen Antrag gestellt haben, vom Gericht ein gemeinsamer Vertreter bestellt, wenn nicht auf andere Weise die Wahrung ihrer Rechte gewährleistet ist (§ 3 Abs. 1 Satz 3 SpruchG). Der gemeinsame Vertreter hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SpruchG).
e) Entscheidung
Rz. 1605
Die Entscheidung ergeht grds. aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 8 SpruchG). Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung werden in aller Regel Gutachten zur Unternehmensbewertung in Auftrag gegeben. Die daraufhin ergehende Entscheidung, die nach § 11 Abs. 2 SpruchG auch in Form eines gerichtlichen Vergleichs ergehen kann, ist den Beteiligten zuzustellen (§ 11 Abs. 3 SpruchG). Dagegen können die Beteiligten sofortige Beschwerde zum OLG einreichen (§ 12 SpruchG). Eine weitere Beschwerde ist ausgeschlossen (§ 12 Abs. 2 Satz 3 SpruchG).
Rz. 1606
Zulässig ist eine Divergenzvorlage nach § 12 Abs. 2 Satz 1 SpruchG i.V.m. § 28 Abs. 2 und 3 FGG, wenn ein OLG von der früheren Entscheidung eines anderen OLG abweichen will. Ist die Entscheidung rechtskräftig, wirkt sie nach § 13 Satz 2 SpruchG für und gegen alle Anteilsinhaber, insb. also auch ggü. denjenigen, die die ursprünglich angebotene Abfindung akzeptiert haben und bereits aus der Gesellschaft ausgeschieden sind. Sie erhalten also ggf. eine Nachzahlung. Nach h.M. sind sie dagegen nicht zu einer Rückzahlung verpflichtet, wenn das Gericht eine im Gegensatz zu der von ihnen angenommenen Abfindung niedrigere Kompensation festsetzt.