Rz. 70

Eine verdeckte Sacheinlage kommt auch beim Cash-Pool in Betracht. Hierbei werden im Rahmen eines Konzerns alle Mittel der Konzerngesellschaft taggleich auf ein Sammelkonto eingezahlt. Dies bezieht sich sowohl auf die Mittel, die aus Kapitalerhöhungsmaßnahmen (Gründung, Kapitalerhöhung) stammen, als auch auf die übrigen liquiden Mittel der Gesellschaft. Auch hier stellt sich die Frage der Kapitalerhaltung.

In seiner sog. "Cash-Pool"-Entscheidung[270] stellte der BGH fest, dass auch bei Gesellschaften, die in einen Cash-Pool eingebunden sind, ohne Anerkennung eines Sonderrechtes, bei der Gründung und der Kapitalerhöhung die Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbHG und die dazu von der höchstrichterlichen Rspr. entwickelten Grundsätze Anwendung finden.[271] Nach Ansicht des BGH war die freie Verfügbarkeit einer zu erbringenden Einlage dann zu verneinen, wenn im Rahmen einer Gründung oder Kapitalerhöhung die Einlage kurze Zeit nach der Kapitalmaßnahme auf ein im Rahmen eines Cash-Pools eingerichtetes gesellschaftsfremdes Konto transferiert wurde. Stand von vornherein fest, dass das Geld nach einer "Karenzzeit" auf das in den Cash-Pool eingebundene Gesellschaftskonto eingezahlt werden sollte, war hierin eine unzulässige Umgehung der §§ 56 Abs. 2 a.F., 19 Abs. 5 a.F. und 5 Abs. 4 Satz 1 GmbHG a.F. in Form einer verdeckten Sacheinlage zu sehen.

Als Konsequenz dieser BGH-Rspr. sah die Lit. teilweise nur noch die zeitaufwendigere und teurere (offene) Sachgründung bzw. -kapitalerhöhung als sichere Alternative an.[272]

Die Änderungen des § 19 Abs. 5 GmbHG sollten ausweislich der Regierungsbegründung vorrangig das meist in Konzerngesellschaften praktizierte Cash-Pooling ermöglichen. Somit kann auch bei Gesellschaften, die in ein Cash-Pool-System integriert sind, die Einlageleistung des Inferenten schuldbefreiend auf ein Gesellschaftskonto erfolgen, soweit die Leistung durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeit fällig ist bzw. jederzeit fällig gestellt werden kann und bei der Anmeldung der Kapitalmaßnahme zum Handelsregister angegeben wird, § 19 Abs. 5 GmbHG.

Durch das MoMiG wollte der Gesetzgeber jedoch lediglich finanziell gesunden Konzernen diese Form der Innenfinanzierung, mithin ein ökonomisch sinnvolles Cash-Pooling, ermöglichen.[273] Die Kapitalaufbringung in einem Cash-Pool bei einem Negativsaldo des integrierten Gesellschaftskontos ist nach wie vor unzulässig. In diesem Fall erhält die Gesellschaft keine Leistung zur freien Verfügung, sondern die Befreiung von einer Verbindlichkeit, sodass eine verdeckte Sacheinlage gegeben ist. Diese ist nach wie vor unzulässig.

Diese Differenzierung hat der BGH in seiner "Cash-Pool II"-Entscheidung bestätigt.[274] Soweit im Zeitpunkt der Weiterleitung von der GmbH auf das Zentralkonto der Saldo zulasten der Gesellschaft negativ ist und somit eine Schuld der GmbH gegenüber dem Inferenten (oder der ihm zuzurechnenden Zentralgesellschaft) besteht, liegt eine verdeckte Sacheinlage vor. Die Gesellschaft erhält nicht die vereinbarte Bareinlage, sondern die Befreiung von der Verbindlichkeit aus der Cash-Pool-Verbindung in Form des Verzichts der Inferentin auf die Darlehensrückzahlung und somit einen Sachwert.

Wird die Einlage des Inferenten hingegen auf ein Konto gezahlt, dessen Saldo ausgeglichen oder zugunsten der Gesellschaft positiv ist, liegt ein reines Hin- und Herzahlen vor. Die Gesellschaft gewährt dem Gesellschafter durch die Weiterleitung auf das Konto ein Darlehen, was aber zur Erfüllung der Einlageverpflichtung führt, sollten die Ansprüche der Gesellschaft gegenüber dem Cash-Pool vollwertig und liquide sein, § 19 Abs. 5 GmbHG (ausführlich zum Hin- und Herzahlen s.o. Rdn 60 ff.). Problematisch ist in diesem Fall jedoch, dass § 19 Abs. 5 Satz 2 GmbHG, ebenso wie der II. Senat des BGH[275] als Voraussetzung für die Erfüllung der Bareinlageschuld fordert, dass eine Offenlegung der Abrede, dass die Bareinlage von dem Cash-Pool System erfasst wird, erfolgt.[276] Bisher wird allerdings diese Abrede bei der Anmeldung meist nicht offengelegt.[277]

Wurde hingegen ein zulasten der Gesellschaft negativer Saldo durch die Einlagezahlung positiv, ist dieser Vorgang i.H.d. Negativsaldos als verdeckte Sacheinlage, i.H.d. überschießenden Teils hingegen lediglich als Hin- und Herzahlen zu bewerten.[278]

Die Erfüllung der Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG scheint vordergründig praktikabel. Allerdings führt das Verfahren mit Offenlegung und Nachweis der Werthaltigkeit der Rückgewährforderung und der Fälligkeitsvoraussetzungen zu einem ähnlichen Aufwand wie bei einer (offenen) Sachgründung bzw. -kapitalerhöhung. Auch erscheint es kaum möglich, bei täglichen Zahlungsflüssen zeitnah nach der Eintragung der Kapitalmaßnahme dem Registergericht durch Offenlegung des Hin- und Herzahlens eine Werthaltigkeitskontrolle erst zukünftig entstehender Rückgewähransprüche zu ermöglichen.

Trotz der Neuerungen durch das MoMiG und die Anrechnungsmöglichkeit bei verdeckten Sacheinla...

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