Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1515
Besonderheiten für die (notarielle) Niederschrift gibt es bei der virtuellen Hauptversammlung grds. nicht. Der Notar bzw. der Vorsitzende des Aufsichtsrats hat seine Wahrnehmungen der Hauptversammlungsniederschrift zugrunde zu legen. Es gilt § 130 AktG. Der Notar muss sich am selben Ort wie der Versammlungsleiter aufhalten (§ 130 Abs. 1a AktG). Notwendig ist eine physische Teilnahme des Notars bzw. Aufsichtsratsvorsitzenden an diesem Versammlungsort. Eine nur virtuelle Teilnahme, etwa mittels einer Zwei-Wege-Verbindung, genügt nicht.
Rz. 1516
Die Beurkundung der Niederschrift über die virtuelle Hauptversammlung erfolgt ebenso wie die bei der Präsenzhauptversammlung als Tatsachenbeurkundung nach § 36 BeurkG oder in der Form der Beurkundung von Willenserklärungen nach §§ 6 ff. BeurkG (s.o. Rdn 1260). Eine Online-Beurkundung ist auch bei der virtuellen Hauptversammlung nach derzeitiger Rechtslage (noch) unzulässig (s.o. Rdn 1261).
Rz. 1517
Beim Versammlungsleiter "laufen die Fäden zusammen", hier erfolgt die Übertragung der Versammlung, Die Zwei-Wege-Direktverbindung zu den Aktionären für die Ausübung des Antragsrecht und das Rederechts nach § 118a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und Nr. 7 AktG ist dort angesiedelt. In diesem Übertragungsraum kann der Notar den oder die Computer einsehen, dem Verlauf der gesamten Hauptversammlung und ihrer Übertragung folgen und z.B. Online-Erklärungen, Widersprüche (§ 118a Satz 2 Nr. 8 AktG), Anträge auf Protokollierung nicht beantworteter Fragen (§ 131 Abs. 5 Satz 2 AktG) sowie insbesondere alle Leitungsmaßnahmen des Versammlungsleiters sowie den Abstimmungsvorgang als auch Art und Ergebnis der Abstimmung unmittelbar wahrnehmen.
Rz. 1518
Gerade diese Aufgaben rechtfertigen es, dass auch bei der virtuellen Hauptversammlung nicht auf den Notar verzichtet werden kann. Dies gilt umso mehr, als dass die Aktionäre ja selbst nicht physisch anwesend sein können. Der Notar gewährleistet zumindest eine gewisse Plausibilitätskontrolle für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben bei der virtuellen Hauptversammlung und damit eine angemessene Richtigkeitsgewähr. Dabei ist dem Notar auch eine Prüfung möglich, ob die an sich in der Hauptversammlung auszulegenden Unterlagen gem. § 118a Abs. 6 AktG über die Homepage der Gesellschaft oder über eine über diese zu erreichende Internetseite eines Dritten zugänglich sind. Dies kann der Notar in der Niederschrift vermerken.
Rz. 1519
Auch der BGH geht davon aus, dass das Beurkundungserfordernis bei einer rein virtuellen Versammlung gewahrt werden kann, wenn der Notar für die Beurkundung am Aufenthaltsort des Versammlungsleiters zugegen ist, sich dort von dem ordnungsgemäßen Ablauf des Beschlussverfahrens überzeugt und sodann die Feststellung des Beschlussergebnisses durch das zuständige Gesellschaftsorgan beurkundet.
Rz. 1520
Art und Ergebnis der Abstimmung sind wie sonst auch genau im Protokoll zu vermerken (§ 130 Abs. 2 Satz 1 AktG).
Rz. 1521
Eine Besonderheit besteht, wenn über Gegenanträge gem. § 126 Abs. 4 AktG nach Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen sofort mit der Abstimmung noch vor Beginn der eigentlichen Hauptversammlung begonnen wird. Regelungen, wie hier die notarielle Protokollierung über "Art und Ergebnis der Beschlussfassung" nach § 130 Abs. 2 AktG zu erfolgen hat, fehlen im Gesetz. Stellungnahmen in der Lit. gibt es dazu – soweit ersichtlich – noch nicht.
Rz. 1522
M.E. ist der Fall vergleichbar mit einer Abstimmung gem. § 118 Abs. 2 AktG mittels Briefwahl. Die Briefwahl im Sinne dieser Regelung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Stimmabgabe "vor" Beginn der Hauptversammlung erfolgt, während eine Abstimmung mittels elektronischer Teilnahme gem. § 118 Abs. 1 Satz 2 AktG "in" der Hauptversammlung geschieht. Zu einer solchen Abstimmung außerhalb der Hauptversammlung kann der Notar regelmäßig keine eigenen Wahrnehmungen haben, die er gem. § 130 Abs. 1a AktG am Ort der Hauptversammlung macht und die Gegenstand seiner Protokollierung sind. Hier kann sich der Notar nur auf die Angaben des Versammlungsleiters verlassen und dessen Angaben hierzu als Grundlage für seine Niederschrift machen. Im Protokoll ist deutlich zu machen, dass diese Angaben nicht auf den eigenen Wahrnehmungen des Notars beruhen. Gegenstand der eigenen Wahrnehmungen des Notars ist aber, wenn der Abstimmungsvorgang zu diesen Gegenanträgen in der Versammlung fortgesetzt wird und erst recht die Feststellungen des Versammlungsleiters über das Ergebnis der Abstimmung und dessen Feststellungen über die Beschlussfassung. § 126 Abs. 4 AktG lässt dabei nur eine vorzeitige Stimmabgabe zu. Eine Pflicht dazu besteht für die Aktionäre nicht. Die Gesellschaft muss die vorzeitige Stimmabgabe nur ermöglichen. Desgleichen ergibt sich hieraus auch nicht, dass vor Beginn der Hauptversammlung zu diesem Gegenantrag auch schon das Beschlussergebnis und die Feststellungen über die Beschlussfassung erfolgen müssen. Vielmehr bleiben diese Dinge der eröffneten Haupt...