Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
a) Ausgangslage
Rz. 91
Ein Sonderproblem der Anwendung von Gründungsvorschriften für Kapitalgesellschaften stellt sich bei Mantel- und Vorratsgesellschaften. Beide Begriffe beschreiben eine nur durch Geschäftsanteile/Aktien verkörperte, i.Ü. aber unternehmenslose Gesellschaft im rechtlichen Gewande einer GmbH/AG. Umstritten war, ob das erstmalige oder erneute In-Gang-Setzen des Unternehmens einer wirtschaftlichen Neugründung gleichkommt und insoweit die Gründungsvorschriften "umgangen" werden. Rechtfertigt diese "Umgehung" eine entspr. Anwendung einzelner oder aller Vorschriften, die für die Gründung gelten? Darf das Registergericht die Unversehrtheit des Stammkapitals prüfen oder greifen nur die Kapitalerhaltungsvorschriften ein? Welches Haftungssystem gilt?
b) Vorratsgesellschaft und Mantelgesellschaft
Rz. 92
Zur Frage des Mantelkaufs bzw. der Verwendung von Vorratsgesellschaften sind viele Details seit Langem umstritten. Auch wenn der BGH zunächst eine Differenzierung zwischen Vorrats- und Mantelgesellschaften mit Rücksicht auf die Anforderungen bei der Verwendung nicht für angezeigt erachtet hat, ist es doch wichtig, sich die unterschiedlichen Ausformungen vor Augen zu führen.
aa) Mantelgesellschaft
Rz. 93
Eine Mantelgesellschaft ist eine existente, früher unternehmerisch tätige, jetzt aber unternehmens- und oft auch vermögenslose Gesellschaft, bei der es noch nicht zum Insolvenzverfahren oder zur Amtslöschung nach § 393 FamFG gekommen ist.
Rz. 94
Der BGH definiert "Mantelgesellschaften" wie folgt:
Zitat
(...) Verwendung des “alten‘ Mantels einer existenten, im Rahmen ihres früheren Unternehmensgegenstandes tätig gewesenen, jetzt aber unternehmenslosen, leeren GmbH (...). Auch die Verwendung eines solchen alten, leer gewordenen Mantels einer GmbH stellt wirtschaftlich eine Neugründung dar. Als wirtschaftliche Neugründung ist es anzusehen, wenn die in einer GmbH verkörperte juristische Person als unternehmensloser Rechtsträger (“Mantel‘) besteht und sodann mit einem Unternehmen ausgestattet wird. Dabei macht es bei wertender Betrachtung keinen Unterschied, ob die Unternehmenslosigkeit i.S. des Fehlens eines Geschäftsbetriebes – wie bei der “offenen‘ Vorratsgründung – von Anfang an vorgesehen ist und sodann die Gesellschaft erstmals den Geschäftsbetrieb eines Unternehmens aufnimmt, oder ob sie – wie bei den sog. alten Gesellschaftsmänteln – darauf beruht, dass der Betrieb eines (ursprünglich) vorhandenen Unternehmens mittlerweile eingestellt bzw. endgültig aufgegeben worden ist und sodann der gleichsam als “inhaltslose Hülle‘ fortbestehenden juristischen Person ein neues Unternehmen “implantiert‘ wird (...).
Rz. 95
Die Entstehungsgründe von Mantelgesellschaften sind vielfältig. Teilweise handelt es sich dabei um Gesellschaften mit voll eingezahltem Stammkapital, mit denen einmal ein bestimmtes Geschäft tatsächlich beabsichtigt war, das sich aber zerschlagen hat (z.B. Gründung zum Zweck einer Unternehmensakquisition oder als Auffanggesellschaft). Bei diesen Gesellschaften dürfte die Ausgangslage derjenigen der offenen Vorratsgesellschaft gleichzusetzen sein. In anderen Fällen handelt es sich um ehemals – z.T. vor zehn und mehr Jahren – aktive Gesellschaften, deren Unternehmen eingestellt/weggefallen oder erledigt ist (z.B. Projektgesellschaften). Hier ist häufig das Stammkapital weder in Barmitteln noch auf andere Weise vollständig oder auch nur teilweise vorhanden. Im Gegenteil "schleppt" die Gesellschaft nicht selten kaum Eigenkapital, sondern nur noch Verlustvorträge "mit sich herum". Die "unternehmenslosen" Zeiten reichen von mehreren Wochen bis zu vielen Jahren. Nicht selten begegnen dem Praktiker Gesellschaften, die nur noch ganz unwesentliche Geschäfte tätigen, wie z.B. das Halten einer Kleinstbeteiligung an einer Drittgesellschaft, im Rahmen ihres satzungsmäßigen Gegenstandes aber nicht mehr tätig sind.
Bis zur Einführung des mittlerweile aufgehobenen § 8 Abs. 4 KStG a.F. und der weiteren Einschränkung durch § 8c KStG lag der besondere Reiz zum Erwerb dieser Gesellschaften in der Verwendung ihrer häufig hohen, ...