Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1632
Neben den vorgenannten Rechtsschutzmöglichkeiten hat der einzelne Aktionär unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung weitere explizit im AktG genannte Klagemöglichkeiten. Zu denken ist hier zum einen an die Klagerechte auf Einleitung einer gerichtlichen Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates nach §§ 98 ff. AktG oder auf gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds nach § 104 AktG. Daneben bestehen diverse Rechte, die – abhängig von der Erfüllung bestimmter Quoren – vielfältige Minderheitenrechte gewähren.
Rz. 1633
Von Bedeutung sind schließlich noch die sog. actio pro socio und die Mitgliedschaftsklage. Bei der actio pro socio macht der einzelne Gesellschafter einen Anspruch der Gesellschaft gegen andere Gesellschafter im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft geltend. Bei der Mitgliedschaftsklage geht es dagegen um die Geltendmachung eines eigenen Anspruchs des Gesellschafters gegen die Gesellschaft. Im Aktienrecht ist die actio pro socio grds. unzulässig. Die Verfolgung mitgliedschaftlicher Ansprüche gegen einzelne Aktionäre obliegt dem Vorstand als zuständigem Organ. Auch Klagen gegen einzelne Organmitglieder scheiden wegen der vorrangigen Regelungen der §§ 147, 148 AktG aus. Ausnahmsweise zulässig ist dagegen die Mitgliedschaftsklage, wenn bei besonderen Strukturmaßnahmen die Hauptversammlungszuständigkeit und damit die Mitwirkungsbefugnisse des einzelnen Aktionärs missachtet werden (s.u. Rdn 1924 ff.). Leading case ist hier wiederum die "Holzmüller-Entscheidung".
Beispiele
Die Ausgliederung oder Veräußerung wesentlicher Vermögensteile, die Umstrukturierung einer Tochter- in eine Enkelgesellschaft, die Entscheidung über das Delisting, besondere Strukturmaßnahmen bei einer Tochtergesellschaft wie ein bevorstehender Börsengang, der Erwerb von Vermögensgegenständen, insb. Unternehmensbeteiligungen, oder etwa sonstige Fälle einer "faktischen Satzungsänderung", in denen der Vorstand dauerhaft den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand über- oder unterschreitet.
Rz. 1634
Weitere Anwendungsfälle sind Pflichtwidrigkeiten der Verwaltung bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals.
Beispiele
Bei einem Bezugsrechtsausschluss, Verstößen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 53a AktG oder Maßnahmen im Zusammenhang mit einer feindlichen Übernahme.
Rz. 1635
Als Klageart kommt dabei eine normale Feststellungsklage in Betracht; auch eine Beseitigungs-(Leistungs-) oder Unterlassungsklage ist zulässig, um pflichtwidrige Eingriffe der Verwaltung in die Rechte der Aktionäre ungeschehen zu machen. Eine solche Unterlassungsklage muss der Aktionär ohne unangemessene Verzögerung und mit der einem Aktionär zumutbaren Beschleunigung erheben. Der für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit zu berücksichtigende Zeitraum beginnt, wenn der Aktionär den Beschluss des Vorstands oder Aufsichtsrats sowie die eine Nichtigkeit aus seiner Sicht nahelegenden Umstände kennt oder kennen muss. Ferner ist dem Aktionär eine Klageerhebung nicht zumutbar, solange er nicht ausreichend Zeit hatte, schwierige tatsächliche Fragen zu klären oder klären zu lassen, auf die es für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage ankommt.