Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
a) Rechtsstellung des Vorstands
Rz. 859
Der Vorstand ist notwendiges Organ der Gesellschaft. Er leitet nach § 76 Abs. 1 AktG die Gesellschaft. Gemeint ist damit die Planung, Geschäftspolitik und Strategie des Unternehmens sowie die Organisation und Überwachung ihrer Umsetzung im Unternehmen. Die Leitungsaufgabe ist dem Vorstand als Kollegialorgan zugewiesen, ein Handeln in vertretungsberechtigter Zahl genügt nicht.
Hat die Gesellschaft mehrere Vorstandsmitglieder, sind diese gleichberechtigt. Jeder Vorstand trägt Gesamtverantwortung. Dies gilt auch dann, wenn einzelnen Vorstandsmitgliedern bestimmte Geschäftsbereiche zur eigenständigen Wahrnehmung übertragen wurden.
Rz. 860
Handlungsmaxime für die Leitung der Gesellschaft ist das Interesse der Gesellschaft und der an ihr beteiligten Aktionäre, wobei dem Vorstand ein weites Ermessen eingeräumt wird. Dem Interesse der Gesellschaft sind auch die sog. Compliance-Pflichten geschuldet, d.h. die Verpflichtung zur Einhaltung sämtlicher das Unternehmen betreffender Rechtsvorschriften und deren Kontrolle.
§ 76 Abs. 1 AktG manifestiert den Grundsatz der eigenverantwortlichen Leitung der AG durch den Vorstand. Der Vorstand ist nicht gebunden an Weisungen anderer Organe oder Aktionäre. Eine Ausnahme besteht bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages nach § 308 AktG. Eine Weisungsgebundenheit besteht auch nicht ggü. der Hauptversammlung, es sei denn der Vorstand hat nach § 119 Abs. 2 AktG in Fragen der Geschäftsführung die Hauptversammlung angerufen. Auch der Aufsichtsrat hat kein Weisungsrecht. Er ist auf eine Überwachungstätigkeit nach § 111 Abs. 1 AktG beschränkt. Über den Katalog der zustimmungspflichtigen Geschäfte kann er nur bestimmte Maßnahmen verhindern, nicht aber positiv auf den Weg bringen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang sog. Business Combination Agreements ("BCA"). Dabei handelt es sich um Verträge im Vorfeld öffentlicher Übernahmeangebote zwischen dem künftigen Bieter und dem Vorstand der Zielgesellschaft. Mit diesen Verträgen soll die Unterstützung der Zielgesellschaft und ihrer Organe im Übernahmeverfahren gesichert werden. Nach Auffassung des LG München I und des OLG München sind solche Verträge wegen Verstoß gegen § 76 AktG unzulässig und führen über § 139 BGB auch zur Nichtigkeit eines damit zusammenhängenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages einschließlich des dazu ergangenen Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung. Die Lit. hält solche Vereinbarungen nur dann für unzulässig, wenn sie in den Kernbereich der eigenverantwortlichen Leitungsmacht des Vorstands ähnlich wie bei einem Unternehmensvertrag eingreift. Wird dagegen verstoßen, sind die Maßnahmen im Außenverhältnis wirksam. Im Innenverhältnis haftet der Vorstand nach § 93 AktG.
b) Geschäftsführung durch den Vorstand
Rz. 861
Dem Vorstand obliegt nach § 77 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung. Geschäftsführung ist jede tatsächliche oder rechtliche Tätigkeit für die Gesellschaft. Herausgehobener Teil dieser Geschäftsführung ist die Leitungsfunktion des Vorstands nach § 76 AktG. Die Hauptversammlung kann dem Vorstand die Geschäftsführungsbefugnis für einzelne Geschäftsbereiche nicht entziehen.
Hinweis
Erfasst sind von der Geschäftsführung auch sog. Grundlagengeschäfte. Diese kann der Vorstand allerdings nicht allein vornehmen, sondern er bedarf hierzu der Zustimmung der Hauptversammlung. Dies ist dann der Fall, wenn die in Rede stehende Maßnahme von besonderer Bedeutung für die Gesellschaft ist, sodass hierfür eine gesetzliche oder auch eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit besteht. Nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG ist für bestimmte Geschäfte die Zustimmung...