Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
a) Gesetzgebungsverfahren
Rz. 128
Am 5.7.2021 ist das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht) verabschiedet worden. Dieses Gesetz wurde am 15.7.2022 durch das Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie ergänzt.
Zweck der zugrundeliegenden Richtlinie ist die europaweite grenzüberschreitende Vereinfachung der Gründung von Gesellschaften und der Errichtung von Zweigniederlassungen durch den Einsatz digitaler Instrumente und Verfahren. Die bisherigen Verfahren sollen durch die Neuregelungen vor allem im Hinblick auf den Kosten- und Zeitaufwand effizienter gestaltet werden.
Rz. 129
Wesentliche Punkte sind u.a. die Eröffnung der Möglichkeit zur Online-Gründung einer GmbH sowie die Ausgestaltung der Online-Verfahren bei Registeranmeldungen für Kapitalgesellschaften und Zweigniederlassungen, zur Einreichung und Offenlegung von Urkunden und Informationen im Handels- und Unternehmensregister sowie zum grenzüberschreitenden Informationsaustausch über das Europäische System der Registervernetzung (BRIS).
Rz. 130
Seit dem 1.8.2022 ist das DiRUG in Kraft. Kurzfristig wurden mit einem Ergänzungsgesetz (DiREG), das im Eilverfahren das parlamentarische Verfahren durchlaufen hat, noch einige Erweiterungen der elektronischen notariellen Beurkundung vorgenommen.
b) Die Neuregelungen im Einzelnen
Rz. 131
Im Folgenden werden die grundlegenden Veränderungen durch das DiRUG und DiREG genauer in den Blick genommen. Herzstück der Neuregelungen sind dabei diejenigen, die die neuen Beurkundungsmöglichkeiten regeln.
aa) Ausgestaltung der Online-Verfahren im Hinblick auf die hohen Standards notarieller Beurkundungsverfahren
Rz. 132
Mit DiRUG und DiREG sind nun gesetzliche Rahmenbedingungen für die Vornahme virtueller notarieller Beurkundungen und Beglaubigungen im Handels- und Gesellschaftsrecht geschaffen. Das Augenmerk liegt hierbei insbesondere auf der Aufrechterhaltung der hohen Standards notarieller Beurkundungsverfahren.
(1) Notarielle Beurkundung von Willenserklärungen mittels Videokommunikation
Rz. 133
Zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie sieht der neue § 16a BeurkG mit Blick auf die Ermöglichung der Online-Gründung der GmbH die Option der notariellen Beurkundung von Willenserklärungen mittels Videokommunikation vor. Hierzu muss zwingend das von der BNotK nach § 78p BNotO betriebenen Videokommunikationssystem, welches eine Gleichwertigkeit zu einem Präsenzverfahren sicherstellen soll, genutzt werden.
(2) Öffentliche Beglaubigung qualifizierter elektronischer Signaturen
Rz. 134
§ 40a BeurkG ermöglicht die öffentliche Beglaubigung qualifizierter elektronischer Signaturen mittels Videokommunikation durch Notarinnen und Notare und damit die Online-Einreichung von Handelsregisteranmeldungen sowie auf gleichem Wege die Eintragung von Zweigniederlassungen.
Rz. 135
Mit der Neufassung des § 12 Abs. 1 Satz 2 HGB in der Form der DiREG ist die öffentliche Beglaubigung mittels Videokommunikation gem. § 40a BeurkG generell und rechtsformunabhängig zulässig. Dies gilt selbst für Online-Beglaubigungen von nicht registrierten Gesellschaften, etwa bei der Online-Beglaubigung von Anmeldungen im Zusammenhang mit Umwandlungen. Erfasst sind Anmeldungen zum Genossenschafts- und Partnerschaftsregister und seit 1.8.2023 auch zum Vereinsregister.
(3) Einrichtung eines sicheren, manipulationsresistenten und zuverlässigen Videokommunikationssystems
Rz. 136
Unabdingbar für die Urkundstätigkeit mittels Videokommunikation ist die Installation eines sicheren, manipulationsresistenten und zuverlässigen Videokommunikationssystems. Die Aufgabe zum Betrieb eines solchen Videokommunikationssystems wird durch § 78p Abs. 1 BNotO der BNotK übertragen. Neben der technischen Abwicklung der Videokommunikation zwischen den Notaren und den Beteiligten soll der Betrieb des Videokommunikationssystems gem. § 78p Abs. 2 Nr. 2 BNotO unter anderem und insbesondere die technische Durchführung eines elektronischen Identitätsnachweises nach § 16c Satz 1 BeurkG ermöglichen. Nur so können Notarinnen und Notare Beurkundungen mittels Videokommunikation unter gleichzeitiger Erfüllung ihrer Amtspflichten und besonders der sicheren Identifizierung der Beteiligten vornehmen (vgl. § 10 BeurkG).
Rz. 137
Kann sich der Notar auf virtuellem Wege keine Gewissheit über die Person eines Beteiligten versc...