Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 2163
Das Leitungs- bzw. das Verwaltungsorgan der Europäischen Gesellschaft (SE) muss vor der Sitzverlegung einen Verlegungsplan aufstellen. Art. 8 Abs. 2 SE-VO macht zum Inhalt Mindestvorgaben.
aa) Mindestinhalt des Verlegungsplans
Rz. 2164
Es müssen die Firma der Europäischen Gesellschaft (SE) sowie der bisherige und der neue Sitz der Europäischen Gesellschaft (SE) angegeben werden. Da die Gesellschaft nach der Sitzverlegung der Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaates der EU unterliegt, findet auf sie auch ein anderes Firmenrecht Anwendung. Daher kann es u.U. notwendig sein, im Zuge der Sitzverlegung auch die Firma der Europäischen Gesellschaft (SE) anzupassen.
Weiterhin muss der Verlegungsplan die bisherige Registernummer der Europäischen Gesellschaft (SE) enthalten.
Der Verlegungsplan muss zudem die für die Europäischen Gesellschaft (SE) vorgesehene Satzung enthalten. In der neuen Satzung ist die ggf. geänderte Firma zu nennen.
Gem. Art. 8 Abs. 2 Buchst. c) SE-VO muss der Verlegungsplan die etwaigen Folgen der Sitzverlegung für die Beteiligung der Arbeitnehmer darlegen. Zu den Angaben, die in dieser Hinsicht gemacht werden müssen, gehören Fragen zur Unterrichtung und zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer.
Der Verlegungsplan muss einen Zeitplan für die Sitzverlegung enthalten.
Art. 8 Abs. 2 Buchst. e) SE-VO schreibt vor, dass der Verlegungsplan etwaige vorgesehene Rechte zugunsten der Aktionäre und/oder Gläubiger enthalten muss. Mit dieser Vorschrift sind die mitgliedstaatlichen Vorschriften zum Schutz von Gläubigern und Aktionären gemeint. Deutschland hat bspw. zum Schutz der Minderheitsaktionäre in § 12 SEAG die Pflicht für ein Abfindungsangebot statuiert.
bb) Abfindungsangebot
Rz. 2165
Der nationale Gesetzgeber hat in § 12 SEAG von der Ermächtigung Gebrauch gemacht, Vorschriften zum Schutz von Minderheitsaktionären zu erlassen. § 12 SEAG sieht vor, dass der Verlegungsplan ein Abfindungsangebot für Aktionäre enthalten muss, die Widerspruch gegen den Verlegungsbeschluss zur Niederschrift erklären. Die Bekanntmachung des Verlegungsplans muss das Abfindungsangebot im Wortlaut enthalten. § 12 Abs. 2 SEAG verweist auf die Regelungen zum Abfindungsangebot in einem Verschmelzungsplan. Durch den Verweis auf § 7 Abs. 5 SEAG kann eine Klage gegen die Wirksamkeit des Verlegungsbeschlusses nicht darauf gestützt werden, dass das Abfindungsangebot nach § 12 Abs. 1 SEAG zu niedrig bemessen bzw. die Barabfindung nicht ordnungsgemäß angeboten worden wäre. Aktionäre werden in diesem Fall auf das Spruchverfahren verwiesen.
Rz. 2166
Um die prozessuale Durchsetzbarkeit der Forderung zu erleichtern, fingiert Art. 8 Abs. 16 SE-VO einen Satzungssitz im Wegzugstaat für Forderungen, die vor der Eintragung der Europäischen Gesellschaft (SE) in ihrem neuen Sitzstaat entstanden sind. Dieser fingierte Satzungssitz kommt auch den Minderheitsaktionären zugute, die Forderungen gegen die Europäische Gesellschaft (SE) geltend machen wollen.
Rz. 2167
Weder die SE-VO noch das SE-AG sehen die Möglichkeit eines einvernehmlichen Verzichts auf die Erstellung eines Abfindungsangebots vor. Da das Abfindungsangebot dem Schutz der Anteilseigner dient, muss hierauf auch verzichtet werden können.
Ein Abfindungsangebot im Verlegungsplan wird überflüssig, wenn von vornherein feststeht, dass sich keine Anteilseigner gegen den Verlegungsbeschluss wenden werden.