Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 455
Auszahlung i.S.d. § 30 GmbHG ist nicht nur das Auskehren von Barmitteln, sondern jede Verringerung des Gesellschaftsvermögens. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Auszahlung offen oder verdeckt im Rahmen eines Austauschgeschäftes ohne gleichwertige Gegenleistung unmittelbar oder mittelbar oder als Gewinnausschüttung erfolgt.
Wegen der aus Gläubigerschutzgründen gebotenen weiten Auslegung des § 30 GmbHG kommt es nur auf die Vermögensbelastung bei der GmbH, nicht aber auf eine konkrete Vermögensmehrung beim Gesellschafter an.
In der GmbH & Co. KG können auch Zahlungen aus dem Vermögen der GmbH & Co. KG an einen Gesellschafter der Komplementär-GmbH oder einen Kommanditisten nach § 30 Abs. 1 GmbHG verbotene Auszahlungen sein, wenn dadurch das Vermögen der GmbH unter die Stammkapitalziffer sinkt oder eine bilanzielle Überschuldung vertieft wird. Dies ist insb. dann der Fall, wenn die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin für Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaften entspr. hohe Passivposten bilden muss oder den ihr nach §§ 161 Abs. 2, 110 HGB zustehenden Freistellungsanspruch aufgrund der durch die Auszahlungen an einen Gesellschafter verursachten Aushöhlung des Vermögens der Kommanditgesellschaft nicht mehr durchsetzen und in ihrer Bilanz aktivieren kann, so dass eine Unterbilanz oder Überschuldung entstehen oder vertieft werden können.
Unter den Begriff der Auszahlung fallen auch Beeinträchtigungen der freien Verfügbarkeit des Gesellschaftsvermögens zugunsten von Gesellschaftern durch Stundungen, Darlehen und auch grds. jede Besicherung zugunsten eines Gesellschafters, insb. die Besicherung einer Forderung des Gesellschafters gegen einen Dritten. Ein abgeschlossener Vergleich zwischen einer GmbH und einem Gesellschafter verstößt dann gegen § 30 GmbHG, wenn der Vergleich die zu erledigenden Ansprüche nicht angemessen bewertet hat. Eine verbotene Einlagenrückgewähr liegt auch dann vor, wenn die GmbH mit Mitteln, die zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich sind, eine Schuld gegenüber einem Dritten begleicht, für die der Gesellschafter eine Bürgschaft übernommen hat.
aa) Darlehensgewährung und Cash-Pool
Rz. 456
Die Gewährung eines Darlehens an einen Gesellschafter stellte schon nach früher ganz h.M. jedenfalls dann eine Auszahlung i.S.d. § 30 Abs. 1 GmbHG dar, wenn der Darlehensrückzahlungsanspruch nicht werthaltig ist. Der BGH hat dies mit dem sog. "November-Urteil" insoweit verschärft, als er die rein bilanzielle Betrachtungsweise aufgab und eine verbotene Rückzahlung sogar bei vollwertigem Darlehensrückzahlungsanspruch annahm, wenn nur eine Unterbilanz besteht oder durch das (nicht aktivierte) Darlehen entstehen würde. Auf Grundlage dieses BGH-Urteils war in Praxis und Wissenschaft größte Verunsicherung darüber entstanden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter (Muttergesellschaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen) Darlehen im Rahmen eines Cash-Pools geben darf, wenn der Darlehensvaluta bilanziell keine entspr. hohe (freie) Rücklagenpositionen gegenüberstanden.
Rz. 457
Mit dem MoMiG wurden die Kapitalerhaltungsregeln des AktG und GmbHG um eine "Sonderregelung" für Kreditgeschäfte, namentlich i.S.e. "Privilegierung" des Cash-Poolings, erweitert. In § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG und im Wesentlichen gleichlautend in § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG heißt es dazu: (Das Verbot der Einlagenrückgewähr gelte) "nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind."
Mit diesen Regelungen wollte der Gesetzgeber erstens das Cash-Pooling und sog. "upstream-loans" in der Konzernfinanzierung sichern. Zweitens soll im faktischen Konzern deren Zulässigkeit davon abhängen, ob die Gewährung von Liquidität innerhalb des Konzerns jeweils "durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch (...) gedeckt ist". Ausweislich der Regierungsbegründung kehrt der Gesetzgeber damit zu der vom BGH in seinem November-Urteil abgelehnten "bilanziellen Betrachtungs...