Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 484
Gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 InsO sind auch Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, anfechtbar. Als einem Darlehen wirtschaftlich entsprechende Forderung werden hier auch stehengelassene Forderungen erfasst. Die Rspr. hat dies ausdrücklich bejaht beim Stehenlassen des Gewinns durch Gewinnvortrag durch den Alleingesellschafter-Geschäftsführer, da dieser frei darüber entscheiden könne, ob und wann er einen Gewinnverwendungsbeschluss fassen möchte oder ob und wie lange er von einer Verteilung vorübergehend absieht, weshalb das Stehenlassen einer Ausschüttung mit anschließender Zurverfügungstellung des ausgezahlten Betrags als Darlehen entspreche. Dem hat sich auch das LG Hamburg weitgehend angeschlossen, aber eine Rückausnahme dahingehend gemacht, dass eine Vergleichbarkeit mit einem Darlehen ausscheide, wenn das Stehenlassen nicht auf einer bewussten Finanzierungsentscheidung beruht. Die Ausführungen des OLG Koblenz sowie des LG Hamburg erscheinen hier nicht vollends schlüssig. Soweit die Gesellschafter den ihnen nach § 29 Abs. 1 Halbs. 1 GmbHG zustehenden Gewinnanspruch nicht über eine entspr. Gewinnausschüttung geltend machen, sondern den erwirtschafteten Gewinn in der Gesellschaft thesaurieren wollen, so erfolgt hier bilanziell eine Einstellung in die Gewinnrücklage oder den Gewinnvortrag, welche nach § 266 Abs. 3 HGB einer Passivierung als Eigenkapital der Gesellschaft entspricht. Es erscheint daher zweifelhaft, ob die thesaurierten Gewinnen überhaupt eine einem Darlehen wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung darstellen können, da § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gerade Fremdkapital voraussetzt. Die Begründung der beiden Gerichte, dass es keinen Unterschied in der rechtlichen Bewertung machen dürfe, ob Gewinne zunächst ausgeschüttet und anschließend nicht ausgezahlt, also gestundet werden, oder die Mittel von vornherein in der Gesellschaft belassen werden, ist zwar rein rechnerisch nachvollziehbar, offenbart aber bei genauerer Betrachtung eine wesentliche Schwachstelle. Während die Gewährung eines Gesellschafterdarlehens einen Rückforderungsanspruch sowie Kündigungsrechte begründet, ist es den Gesellschaftern, die Gewinne stehenlassen nur erschwert möglich im Nachhinein diese Mittel zu erlangen. So bleibt der vorgetragene Gewinn bis zum nächsten Ergebnisverwendungsbeschluss als Eigenkapital gebunden und auch Gewinnrücklagen können nur durch einen gesonderten Gesellschafterbeschluss wieder aufgelöst werden. Im Ergebnis steht den Gesellschaftern hier also im Unterschied zur Darlehensgewährung kein vertraglicher Rückzahlungsanspruch zu. Aufgrund dessen ist vorliegend auch das vom BGH festgeschriebene anfechtungsbegründende Merkmal der Risikoabwälzung auf die Gemeinschaft der Gesellschaftsgläubiger zu verneinen, da die ihre Gewinne thesaurierenden Gesellschafter sich gerade nicht ihrer Finanzierungsverantwortung dadurch entziehen, dass sie der Gesellschaft statt Eigenkapital mit einem jederzeitigen Rückzahlungsanspruch verbundene Darlehen zur Verfügung stellen.
Nach einer Entscheidung des KG führt auch das Stehenlassen eines Vergütungsanspruches durch einen Gesellschafter mit Rangrücktritt, um den Eröffnungsgrund der Überschuldung zu suspendieren, zu einer Nachrangigkeit der Forderung nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO.